Das Fernsehen hat Stefan Jürgens („Soko Wien“) bekannt gemacht. Aber immer schon war der Schauspieler auch Musiker. Am Sonntag, 17. März, stellt er sein neues Album „Was zählt“ im Stuttgarter Theaterhaus vor.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Stuttgart - Er war Gründungsmitglied der legendären Comedy-Sendung „RTL Samstag Nacht“. Seit 2007 spielt er in der ZDF-Krimiserie „Soko Wien“ die Rolle des Major Carl Ribarski. Aber immer schon gehörte das Herz von Stefan Jürgens auch der Musik. Im Interview spricht er übers Songschreiben und den Einsatz von Oldtimern in TV-Krimis.

 

Herr Jürgens, Ihr neues Album heißt „Was zählt“. Machen wir’s uns einfach: Was zählt für Sie?

Genau das „Für Sie“ ist entscheidend. Es ist ja kein allgemeingültiger Anspruch, den ich da formuliere. Ich habe angefangen, die Platte in einer Zeit zu schreiben, als die Anforderungen da draußen immer weniger durchschaubar schienen. Deshalb wollte ich ein Album machen, auf dem ich erzähle, was für mich wichtig ist, was mein Leben in Balance hält. Worauf ich zählen kann, wenn es darauf ankommt.

Also ein persönliches Album.

Könnte man so sagen. Der Song „Mein Vater“ setzt sich damit auseinander, was mir Familie und Herkunft bedeuten. In „Jeder gegen jeden“ geht es darum, wie wir alle miteinander umgehen und dass man darauf auch einen selbstkritischen Blick werfen muss. Es geht nicht darum zu sagen: „Die da oben machen Scheiß.“ Wir tragen auch unseren Teil dazu bei.

Und Sie besingen einen alten Tisch.

Genau, weil ich den seit 30, 40 Jahren habe und der mir auch Koordinaten für mein Leben liefert. Außerdem gibt es auf dem Album einen fiktiven Dialog mit einem alten, verstorbenen Freund, dem man gern die Frage stellen würde: „Würdest Du mich noch erkennen? Bin ich mir treu geblieben?“ So kann man jeden der zwölf Songs unter den Titel „Was zählt“ packen.

Was gibt Ihnen die Musik, was die Schauspielerei nicht vermag?

Offenbar ist da eine Stimme in mir, die raus muss. Ich habe lang vor meiner Schauspielerei, mit sechzehn, damit begonnen, Musik zu machen. Der Unterschied ist der: Als Schauspieler darfst du dich in menschliche Charaktere hineinwühlen, die nicht unbedingt was mit dir zu tun haben. Das ist teils lustvoll, teils auch eine schwere psychologische Aufgabe. Im Gegensatz dazu nimmt sich der Liedermacher in mir Zeit für sich selbst. Diese beiden Dinge nebeneinander leben zu dürfen, ist ein unfassbares Geschenk. Ich habe das Glück, dass ich seit meinem 19. Lebensjahr von der Schauspielerei leben kann. Aber damit stand der Musiker immer etwas im Schatten. Mittlerweile ist mein Jahr in zwei Hälften geteilt, in der einen mache ich Schauspiel, in der anderen Musik.

Zwei berühmte Kollegen, Westernhagen und Grönemeyer, sind als Schauspieler bekannt geworden und machen nun nur noch Musik. Können Sie sich so was vorstellen?

Nein, kann ich mir nicht. Aber Sie haben da zwei Kollegen herausgegriffen, die aufgrund ihres großen Erfolgs als Musiker möglicherweise dazu verdonnert waren, sich komplett in eine Sache hineinzulegen. Ich habe immer die Antwort auf die Frage verweigert: „Wenn Sie sich entscheiden müssten, was würden Sie lieber machen?“ Ich sehe nicht ein, warum ich darauf antworten sollte.

Journalisten stecken Musiker gern in Schubladen. Tun Sie das für uns: Wo gehören Sie hin?

Sie sind doch nicht ganz dicht, würde der Ruhrgebietler sagen. Nein, im Ernst, ich stecke mich doch nicht selbst in eine Schublade. Aber wenn schon, dann würde ich mich als Liedermacher bezeichnen. Aber da haben wir schon das Problem, dass keiner weiß, was das so genau ist. Obwohl mir das Komponieren Spaß macht, ist der Text der zentrale Punkt meiner musikalischen Arbeit.

Der Text ist zuerst da?

Seit drei Alben läuft das so. Bei mir hat sich das einfach bewährt.

Die Songs sind in zwei Wohnzimmern entstanden, eins befindet sich in Berlin, eins in Wien.

Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich eben diese beiden Wohnsitze habe und die Zeit nutzen will. Aber aufgenommen habe ich die Songs in Studios.

Sie sind als Comedian mit „RTL Samstag Nacht“ bekannt geworden. Das Fach haben Sie komplett hinter sich gelassen.

Comedy- und Entertainment-Elemente fließen in meine Konzerte ein. Warum soll man auf etwas verzichten, was man gelernt und was einem Spaß gemacht hat? Aber meine Zeit als Comedian ist vorbei. Das ist ja das Schöne als Künstler, wenn du deine Erfahrungen zusammenbringen kannst.

Die Songs auf „Was zählt“ klingen meist entspannt. Entspricht das Ihrer Gemütslage?

Sagen wir mal: Ich bin auf einem guten Weg.

Aber dem Fernsehen und der ZDF-Serie „Soko Wien“ bleiben Sie treu?

Selbstverständlich, wenn ich meine Tour irgendwann im April beendet habe, packe ich schon wieder meine Koffer für die nächste Drehstaffel in Wien.

Es gibt schlimmere Drehorte als Wien.

Ich habe mich vor zwölf Jahren dafür entschieden, weil das Angebot interessant war. Wien hatte ich damals noch gar nicht so richtig auf dem Schirm, das kam als zusätzliches Geschenk dazu. Eigentlich hatte ich Wien nicht so prickelnd in Erinnerung. Vor 30 Jahren war das noch eine andere Stadt.

Inwiefern?

Es ist ja kein Geheimnis, dass man Wien, trotz seiner Schönheit, als düstere Balkanstadt empfunden hat. Die Häuser waren grau, die Straßenlaternen erinnerten mich an Ostberlin. Wien war romantisch, traditionsreich, aber bedrückend. Das hat sich massiv geändert, nicht umsonst zählt Wien zu den lebenswertesten Städten der Welt.

Aus der grauen Vergangenheit stammt auch Ihr Soko-Dienstwagen.

Sie meinen den Opel Commodore. Ein Commodore war auch mein erstes Auto, allerdings hatte ich ein jüngeres Modell. Den Wagen hatte mir mein Vater hinterlassen.

Ein schöner Wagen, aber kein typisches Polizeiauto. Warum fahren in TV-Krimis Polizisten gern in Oldtimern herum?

Weil Fernsehen nicht das Leben ist, und weil Starsky und Hutch auch nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten. „Soko Wien“ ist, was die Figuren angeht, ein halber Comic. Die coolen Jungs haben wenig mit dem Leben zu tun. Mein Carl Ribarski zeigt eine Nervenstärke, die mir fremd ist.

Noch ein Satz zur Platte. Ein Kritiker schrieb, die Songs seien privat, aber dennoch politisch.

Man darf sich in der aktuellen Situation nicht dem Politischen entziehen. Aber ich versuche, den Zeigefinger zu vermeiden. Sonst müsste ich ja die richtigen Antworten kennen, aber das tue ich nicht. Mir geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen. Von denen, die angeblich die richtigen Antworten haben, haben wir in unserer schreienden Gesellschaft wahrlich genug.