Die Akademie für Darstellende Kunst hat in Ludwigsburg zu einer Konferenz über die Schauspielausbildung geladen – ein Branchentreffen.
Ludwigsburg - Vielleicht ist das typisch für Baden-Württemberg. Als die Gründung der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg (AdK) beschlossen wurde, fing man in Ludwigsburg sofort an zu bauen: Theater, Probenräume, Seminarräume, alles vom Feinsten. Erst dann wurde überlegt, was hier eigentlich konkret gelehrt werden soll. In Amsterdam ist man den entgegengesetzten Weg gegangen. Bevor „DasArts“, ein Master-Studiengang für Theater, den Betrieb aufnahm, wurden erst einmal Symposien veranstaltet und konnten Vorschläge eingereicht werden. Die erste Zeit residierte man in einer Baracke. „Wir wollten es organisch wachsen lassen“, erzählt Marijke Hoogenboom von der Amsterdamer Hochschule der Künste, „und wir haben dabei von den Studierenden gelernt, was sie lernen wollen“.
Ob in Amsterdam oder Ludwigsburg, Berlin oder Frankfurt – keine Schauspielschule besitzt ein Patentrezept, was man angehenden Schauspielerinnen und Schauspielern beibringen soll. Sollen sie klassisches Rollenstudium nach Stanislawski machen, will man eher die Persönlichkeit stärken oder die Studenten zur „Selbstbehauptung“ ermuntern, wie es das Credo der AdK in Ludwigsburg ist? Darüber haben am Wochenende Intendanten, Dozenten und Professoren in Ludwigsburg diskutiert bei der Zukunftskonferenz „Wie? Wofür? Wie weiter?“. Hans-Jürgen Drescher, der Leiter der AdK, hat eingeladen, weil auch die Ludwigsburger Konzeption „noch nicht fertig“ sei, so Drescher. Sein eigentliches Problem ist allerdings ein anderes: Die AdK wurde über die Zukunftsoffensive des Landes finanziert, im nächsten Jahr läuft diese Anschubfinanzierung aus, aber bisher ist im Haushalt des Landes kein Etat für die Hochschule festgeschrieben.
So diente diese Tagung der eigenen Legitimation, aber zeigte sich als wichtiges Branchentreffen und öffnete einigen Besuchern sogar die Augen. Denn zum ersten Mal diskutierten nicht nur Schauspielschulen untereinander, sondern auch mit Intendanten und Dramaturgen, so dass Simone Sterr, Chefin des Landestheater Tübingen überrascht konstatierte, dass sie zwar enge Kontakte zur Stuttgarter Schauspielschule habe, aber ansonsten eigentlich gar nicht wisse, was die anderen machen. „Mit den Schulen hat man wenig zu tun“, so Sterr.
„Die Theater sind scharf auf Anfänger“
Marion Tiedtke weiß dagegen, was die Theater von Schulen wollen. „Sie sind scharf auf Anfänger“, sagt die Ausbildungsdirektorin an der Frankfurter Schauspielschule. Häufig würden die Studenten schon im dritten Ausbildungsjahr „eingekauft“, aber schon nach zwei oder drei Jahren wieder „abgestoßen“. Für die immer mehr werdenden jungen Darsteller, die „nach drei bis fünf Jahren verbrannt aus dem Arbeitsmarkt herausgeschleudert werden“, müsse man Möglichkeiten zur Weiterbildung anbieten, fordert Tiedtke.
Keine rosigen Aussichten also. Weshalb die Ludwigsburger Regie-Studentin Amelie Tambour klar bekannte: „Ich habe keine Idee davon, was mich in der Theaterlandschaft erwartet und wo ich landen werden. Ich habe riesige Angst“. Sie sei nach Ludwigsburg gekommen, weil sie meinte, hier „ihre Künstlerpersönlichkeit“ ausbilden zu können. Heute frage sie sich, ob das eigentliche Handwerk, das sie erlernen müsse, Selbstvertrauen sei.
Viele junge Akteure können keine Rollen spielen
Für Bernd Stegemann von der Berliner Ernst-Busch-Schule ist klar, was Schauspieler können müssen: Rollen spielen. Er hat die Beobachtung gemacht, dass junge Akteure das häufig nicht könnten und deshalb die Figur ironisch brechen würden nach dem Motto: „Wir spielen nicht die Übung, sondern machen ein Zitat daraus“. Das, sagt Stegemann „ist streng verboten an der Ernst Busch“. Auch wenn die „mimetische Kompetenz uns heute ein bisschen igitt“ erscheine, sei sie in der Ausbildung das Wesentliche.
Größer könnte der Kontrast nicht sein zwischen dieser Auffassung und derjenigen der Ludwigsburger. Die Lehre in Ludwigsburg sei ein „permanenter kollegialer Diskurs“, sagt der Regisseur Christoph Nel, es gehe um das „Aushalten von Vielfalt, um ein permanentes Ausbalancieren“. Auch bei den jungen Schauspielern an der AdK ist „Autorenschaft“ wichtig, sagt Christiane Pohle: „Ich genieße als Regisseurin, wenn die Schauspieler ein Bewusstsein für diese Autorenschaft haben.“
Mehr Gewicht auf Film und Neue Medien in der Ausbildung
Der zentrale Gedanke bei der Gründung der AdK war es, auf die veränderte Berufspraxis zu reagieren und Film und Neuen Medien in der Ausbildung mehr Gewicht zu geben. Deshalb machen die Ludwigsburger Studierenden unter anderem einen achtwöchigen Filmschauspielworkshop. Aber auch andere Schauspielschulen haben die Arbeit vor der Kamera längst im Programm, sei es in Stuttgart oder Frankfurt, wo die klassische Ausbildung auch noch erweitert wurde durch eine so genannte Berufsfeldvermittlung. „Aber mehr können wir nicht leisten“, sagt Marion Tiedtke, „die Tage sind schon so voll gestopft, da kann man nicht noch mehr reinstopfen“. Weshalb Uwe Gössel, der Leiter des Internationalen Forums beim Theatertreffen Berlin, erwartet, dass die Schauspielschulen wenigstens deutlich formulieren, für welche Art der Ausbildung sie stehen. „Man braucht Bewusstsein für das eigene Tun im Kontext dessen, was die anderen tun“.