Glücklich geschieden: der Trennungsexperte Hiroki Terai setzt mit Scheidungs-Parties einen Trend, der in Japan immer beliebter wird.

Tokio - Am Wochenende feiern Herr Abe und seine Frau ihre Scheidung. Zwanzig Freunde haben sie in ein Restaurant eingeladen, um vor ihren Augen mit einem Hammer ihre Eheringe zu zertrümmern und im Maul eines rosafarbenen Frosches verschwinden lassen. "Eine Trennung muss doch kein Geheimnis sein", sagt der 36-jährige Ingenieur. "Die Zeremonie soll für uns beide ein Neuanfang werden."

 

Wenige Tage vorher sitzt Abe in einem Café in Tokios Stadtteil Ginza, um mit seinem Scheidungsplaner die letzten Details zu besprechen. Hiroki Terai hat den Hammer und den Frosch mitgebracht, auch gelbe Plastikblumen, die der Geschiedene bei der Feier hinter sich werfen soll wie einst seine Braut ihren Strauß. "Ein bisschen Spaß muss sein", sagt Terai. "Eine Scheidung ist schließlich keine Beerdigung." Seit drei Jahren organisiert der 31-jährige bekennende Single Trennungsfeiern und hat damit einen kleinen Trend und eine große Diskussion ausgelöst.

In der von starken Sozialzwängen geprägten japanischen Gesellschaft ist das Scheitern einer Ehe noch immer stigmatisiert. Dabei steigt die Zahl der Scheidungen wie in den meisten modernen Gesellschaften stark an. Ließen sich 1970 rund 95.000 Japaner scheiden, so sind es heute mehr als 250.000. Jedes vierte japanische Ehepaar trennt sich, doch viele trauen sich nicht, vor ihren Familien und Freunden zuzugeben, dass ihre Beziehung gescheitert ist. Jahrelange Lügen sind oft die Folge.

Aus einem Spaß wurde ein Geschäft

"Unsere Gesellschaft hat viele Rituale, mit denen eine Ehe geschlossen wird, aber keine, mit denen man sie wieder trennen kann", sagt Terai. "Wenn man das ändern könnte, würde man vielen Menschen helfen." Obwohl Terai selbst das Kind einer glücklichen Familie ist, beschäftigte ihn das Thema Scheidung bereits früh. "Ich fand es schon immer komisch, dass Ehen einen Anfang haben sollen, aber kein Ende", erzählt er.

Als sich vor drei Jahren ein älterer Kommilitone, mit dem er zusammen Wirtschaft studiert hatte, scheiden lassen wollte, schlug er ihm vor, eine kleine Zeremonie zu organisieren. Sie sollte feierlich, aber nicht schwermütig sein und bei dem Paar und seinen Freunden eine freudige Erinnerung hinterlassen.

So kam er auf die Idee mit dem Hammer und dem pinkfarbenen Frosch. Das japanische Wort für Frosch, "kaeru", heißt auch Wandel. Die Zeremonie kam gut an, und bald bekam Terai weitere Anfragen. Auch die Medien wurden auf ihn aufmerksam. Schließlich kündigte Terai seinen Job bei einer Leiharbeitsfirma und begann, hauptberuflich Trennungen zu organisieren. 108 Paare hat er inzwischen geschieden, eine Feier kostet rund 100.000 Yen (1040 Euro).

Die Scheidungsparty sollte ein ordentlicher Schlussstrich sein

Auch Herr Abe hörte zuerst im Fernsehen von Terais Zeremonien. Später lud ihn ein Freund zu seiner Scheidung ein, und am Ende der Feier war er es, der den gelben Strauß auffing. "Ich lebte damals bereits von meiner Frau getrennt und unser Verhältnis war sehr schlecht", erzählt er. "Die Feier machte mir Hoffnung, dass wir womöglich doch noch eine Möglichkeit finden würden, im Guten auseinanderzugehen." Im Café erzählt er Terai die Geschichte seiner Ehe: Als Abe 2004 heiratete, glaubte er an die ewige Liebe und träumte von Kindern. Doch das Glück sollte nicht lange währen. Schon bald fand er sich im klassischen Konflikt zwischen seiner Frau und seiner Mutter wieder.

"Meine Mutter ist sehr traditionell und belehrte meine Frau immer, wie sie sich in der Ehe zu verhalten habe", erzählt Abe. Aus den kleinen Streitigkeiten wurde ein großer Bruch und vergangenes Jahr trennte sich das Paar. Kinder hatte es keine bekommen. Abe fand bald eine neue Freundin, aber an eine zweite Ehe wollte er nicht denken. Doch dann kam das Erdbeben vom 11. März 2011, das nicht nur Japan, sondern auch Abe in eine Existenzkrise stürzte.

Er entschied sich, doch noch einmal eine Familiengründung zu wagen, allerdings nicht ohne zuvor einen sauberen Schlussstrich unter seine vorangegangene Beziehung zu ziehen. "Meine Frau war von der Idee einer Scheidungszeremonie zunächst nicht begeistert, aber ich habe sie überreden können", erzählt Abe. "Die Vorbereitungen haben uns geholfen, besser mit unserer Vergangenheit klarzukommen." Seine Mutter sei nicht zu der Feier eingeladen.

Die Scheidungsgründe werden detailliert genannt

Auch wenn Terai sich nicht als Psychiater sieht, so haben die Feiern trotzdem therapeutischen Charakter. Beide Seiten müssen ihm im Vorfeld ihre Version ihrer Eheprobleme schildern und Fotos aus ihrer gemeinsamen Zeit schicken. So wie Hochzeitspredigten meist die Liebesgeschichte eines Paares nachzeichnen, erzählt Terai zu Beginn der Zeremonie woran die Beziehung zerbrochen ist. "Ich gehe sehr ins Detail", sagt er. Über die Trennungsgründe soll es keine Gerüchte mehr geben.

Nach Terais Rede kommen die Eheleute zu Wort, häufig danken sie einander für die Jahre des Zusammenseins. "An diesem Punkt ist die Gesellschaft meistens sehr schwermütig und oft fließen Tränen", erzählt Terai. Dann schreitet er zum dramatischen Höhepunkt der Veranstaltung und reicht den Eheleuten einen Hammer, damit sie als letzten gemeinsamen Akt ihre Ringe zerschlagen.

Neben dem Amboss hat er die Froschstatue aufgestellt, in deren Maul die Juwelentrümmer verschwinden. "In der Regel applaudieren die Gäste und die Stimmung hellt sich auf", sagt Terai. Er gebe den Kellnern das Signal, Speisen und Getränke zu servieren. Dann projiziert er eine Diashow mit den schönsten Bildern aus der gemeinsamen Zeit an die Wand.

Partnervermittlung als neuer Geschäftszweig

Wer seine Zeremonie nicht in einem Restaurant stattfinden lassen will, kommt in Terais "Scheidungshaus", ein abrissreifes Gebäude am Rande Tokios, das eine symbolisch vieldeutige Kulisse bietet. Im nahen Fluss setzt die Gesellschaft dann Papierboote mit Kerzen und guten Wünschen für die Ex-Eheleute aus. Da viele Frauen nicht wissen, was sie zu ihrer Scheidung tragen sollen, hat er ein gelbes Kleid entworfen, das ihnen die Kleiderfrage abnehmen soll.

Inzwischen ist Terai nicht mehr der Einzige, der in Japan Scheidungszeremonien anbietet. Um im Wettbewerb weiter vorne zu sein, erweitert er sein Portfolio. Seitdem er im Herbst seine hundertste Ehe getrennt hat, baut er aus seiner Kundendatenbank eine Partnerschaftsvermittlung auf. "Während einer Trennung lernt man die Menschen gut kennen", sagt er. "Zwei geschiedene Menschen, die offen mit ihrer Vergangenheit umgehen, haben gute Chancen, um im zweiten Anlauf eine glücklichere Beziehung aufzubauen." Zwei Paare hat er bereits zusammengebracht.