Seit einem Jahr hält ein Eigentümer ein Gebäude für ein weiteres Frauenhaus im Kreis Ludwigsburg frei. So lange wartet der Träger schon vergebens auf eine Förderzusage vom Bund. Doch jetzt schließt sich das Zeitfenster.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Zum Greifen nah schien dem Verein Frauen für Frauen das Glück, das sie im Unglück bieten könnten: Ein zweites Frauenhaus, in dem Frauen Unterkunft finden, die aus Gewaltbeziehungen entkommen sind. Ein sanierungsbedürftiges Haus, das sich für diesen Zweck umbauen ließe, hat der Verein schon seit einem Jahr im Angebot, der Umbau würde rund drei Millionen Euro kosten. Doch weil die erhoffte Finanzierung über ein Förderprogramm der Bundesservicestelle „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ zum Ausbau von Frauenhäusern bisher nicht zugesagt ist, schwindet die Hoffnung des Ludwigsburger Vereins nun. Er befürchtet, dass sich das Zeitfenster jetzt schließt und der Eigentümer die Immobilie einer anderen Verwertung zuführt.

 

Es sieht im Moment nicht danach aus, als könnte Frauen für Frauen schnell mit einem Signal zur Finanzierung rechnen. Dabei hatte der Verein, nachdem die Gespräche mit dem Eigentümer der Immobilie gelaufen und die Konditionen für eine künftige Nutzung festgezurrt waren, die Förderung schon Ende März 2022 beantragt – über das Land. „Dort hat eine Jury die Anträge beraten. Unser Vorhaben wurde mit erster Priorität an den Bund weitergereicht“, berichtet Arezoo Shoaleh, pädagogische Leiterin bei Frauen für Frauen. Die Förderanfrage liegt zur Bearbeitung im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Seitdem hat der Verein nichts mehr dazu gehört. Und ist entsprechend gefrustet.

Gespräche soll es „in den kommenden Tagen und Wochen“ geben

Zum Start des Bundesprogrammes „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ hatte der Bund 2019 verkündet, in den Jahren 2020 bis 2023 jährlich 30 Millionen Euro für den Aus-, Um- und Neubau und für die Sanierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen investieren zu wollen. Doch jetzt steht dem Programm offenbar weniger Geld zur Verfügung als ursprünglich erwartet.

Das Familienministerium hält sich allerdings mit Details dazu zurück. Man könne keine Aussage machen, wie viel Geld noch im Topf sei, kommentiert eine Sprecherin. Bei dem Ludwigsburger Antrag auf Geld aus dem Bundesinvestitionsprogramm handele es sich jedenfalls um eine vom Bundesland Baden-Württemberg befürwortete Förderanfrage, bestätigt sie. Derzeit würden Gespräche zwischen Familienministerium, Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Bundesservicestelle, Land und dem Träger koordiniert, „die in den nächsten Tagen und Wochen stattfinden sollen“. In diesem Rahmen solle „das weitere Vorgehen eruiert werden“. Auf Frauen für Frauen sei aber niemand wegen geplanter Gespräche zugekommen, gibt der Verein zur Auskunft. Zu dem Aspekt, dass die Dauerschleife zum Verlust des schon so lange freigehaltenen Objekts zu führen drohe, könne man keine Aussage machen, erklärt die Pressestelle des Bundesfamilienministeriums.

Für Frauen und ihre Kinder extrem belastend

Das Konzept für das zweite Haus sieht vor, fünf bis sechs Appartements mit Platz für zehn bis 15 Frauen und Kinder einzurichten – mit Gemeinschaftsraum, Spielzimmer und Büros. Sie sollen für Frauen zur Verfügung stehen, die Schutz, aber keine Anonymität brauchen. „Es ist ein offenes Konzept“, sagt Arezoo Shoaleh, zu dem ein entsprechendes Sicherheitskonzept gehöre. Im Gegensatz dazu sind die zehn Zimmer mit 19 Schlafplätzen, die das bisherige Frauenhaus bietet, anonym, damit extrem gefährdete Frauen sicher sein können, dass kein gewalttätiger Ex-Partner ihnen auf die Spur kommt. Das sei eine für die Frauen und ihre Kinder extrem belastende Situation, so Shoaleh.

„Seit einem Jahr wird das Haus für uns freigehalten, aber Ende März läuft die Frist aus“, berichtet die Sozialpädagogin. Das sei bitter, da der Eigentümer nicht nur lange gewartet, sondern auch günstige Mietkonditionen zugesichert habe. „Es wäre in seinem Interesse, wenn das sanierungsbedürftige Gebäude für so einen Zweck umgebaut würde. Es wäre für alle eine Win-Win-Situation.“

Abgeordnete sind wenig zuversichtlich

Frauen für Frauen bat auch Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete um Hilfe. Das Büro von Steffen Bilger (CDU) meldete zurück, das Programm verfüge über weniger Geld als zunächst geplant, gleichzeitig gebe es sehr viele Förderanträge. Es sei ratsam, direkt an die Bundesservicestelle heranzutreten und auf das Auslaufen des Reservierungstermins hinzuweisen. „Natürlich habe auch ich die zeitliche Dringlichkeit des Anliegens hier im Bundestag bei den politisch Zuständigen angebracht“, sagt Sandra Detzer (Grüne). Auf Förderentscheidungen im Familienministerium könnten Abgeordnete aber keinen Einfluss nehmen. Wegen der vielen Anträge aus der ganzen Republik stünden die Chancen für einen positiven Bescheid „in dem kurzen Zeitraum bis Ende März nah meiner Einschätzung nicht gut“, so Detzer, „aber ich hoffe sehr, mich zu täuschen“. Das Büro von Macit Karaahmetoğlu (SPD) vermeldet, man habe Frauen für Frauen im Januar eine Stellungnahme des Ministeriums weitergeleitet: „Damals bestand Hoffnung, dass schnell Bewegung in den bereits gestellten Förderantrag kommt.“

Wohin bei Gewalt in der Partnerschaft?

Viel Ausbaubedarf
 Die Nachfrage nach Fördergeld aus dem Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ ist laut Bundesfamilienministerium groß, ebenso die Spannweite der Projekt-Kosten. „Es gibt Förderanfragen und -anträge die weit unter 100 000 Euro liegen, und andere, deren Gesamtkosten sich auf mehr als zehn Millionen Euro belaufen“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums.

Wenige Plätze
 Im Kreis Ludwigsburg gibt es nicht nur zu wenige Frauenhausplätze, auch die Finanzierung macht dem Trägerverein Frauen für Frauen oft Kopfzerbrechen, denn nicht jede Frau hat Anspruch darauf, den Platz bezahlt zu bekommen. Zudem sind die Wohnverhältnisse beengt, der Stresslevel in den Wohnfluren ist hoch. Die Frauen und ihre Kinder zu stabilisieren, ist unter diesen Bedingungen sehr schwierig.