Immer mehr Flüchtlinge drängen nach Europa. Aus diesem Grund wollen Paris und Berlin wieder leichter Kontrollen an den Schengengrenzen durchführen können.

Brüssel - Ein Brief an den EU-Ratsvorsitz, in dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und sein Pariser Amtskollege Claude Guéant mehr Möglichkeiten zur Wiedereinführung vorübergehender Grenzkontrollen fordern, ist in Brüssel am Freitag als durchsichtiges Wahlkampfmanöver bezeichnet worden. „Es ist nichts Neues passiert. Über das Thema wird jetzt nur geredet, weil es diesen Brief gibt“, sagte ein EU-Diplomat der StZ, „das ist genau das, was die Franzosen wollten.“

 

Der um seine Wiederwahl bangende Staatschef Nicolas Sarkozy hat mehrfach versucht, konservative Wähler mit einem Ultimatum für sich zu gewinnen: Gebe es nicht bald Fortschritte beim Kampf gegen illegale Einwanderer werde er das Schengener Abkommen aussetzten.

EU-Diplomaten berichteten, dass das Thema erst im Juni wieder auf der Agenda stehen sollte. Nun aber bittet die französische Delegation Dänemarks Minister Morten Bødskov, dem es dem Vernehmen nach darum ging, das Thema Schengen zwischen den beiden französischen Wahldurchgängen nicht auf EU-Ebene zu behandeln, genau das zu tun.

Wahlkampfhilfe für Sarkozy

Dass Friedrich mit dem Brief „Wahlkampfhilfe für die französischen Konservativen“ leiste, rügte Rebecca Harms, Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, scharf: „Noch vergangenes Jahr hat er selbst davor gewarnt, mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen eine Spirale in Gang zu setzen, an deren Ende das Aus für die Reisefreiheit in Europa stehen könnte. Jetzt dreht er selbst an der Spirale.“ Im Umfeld von Außenminister Guido Westerwelle gab es Kritik am Zeitpunkt

Der Brief erneuert dabei lediglich die Kritik am Gesetzentwurf der EU-Kommission. Man erinnere sich: Vergangenes Jahr ließ Frankreich Flüchtlinge, denen Italien ein Schengen-Visum ausgestellt hatte, nicht ins Land; Dänemark führte einseitig Grenzkontrollen ein, und Griechenland gelang es weiterhin nicht, seine Grenzsicherungsverpflichtungen zu erfüllen. Deswegen beauftragte der EU-Gipfel die Brüsseler Behörde damit, eine Lösung zu finden.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström schlug zweierlei vor: Erstens soll es mehr Gründe für eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen geben. Das nehmen auch Friedrich und Guéant gerne in Anspruch. In ihrem Brief fordern sie „einen Kompensationsmechanismus“ und Regeln „für den Fall, dass ein Mitgliedstaat trotz der Hilfen nicht in der Lage ist, seine Verpflichtungen beim Außengrenzschutz zu erfüllen. Hierzu gehört auch – als ultima ratio und für einen begrenzten Zeitraum – die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen“. Dies soll bis zu 30 Tage möglich sein – so wie das schon bisher der Fall ist, wenn bei Großereignissen wie der Fußball-WM oder dem Nato-Gipfel in Straßburg wieder Grenzer zum Einsatz kamen.

Brüssel soll prüfen und genehmigen

Der zweite Teil des Kommissionsvorschlags ist der umstrittene. Fünf Tage lang soll ohne Absprache wieder kontrolliert werden können – den Wunsch nach längeren Zeiträumen soll Brüssel prüfen und genehmigen. Dieses Ansinnen wurde schon vor dem deutsch-französischen Brief gerügt. Eine Mehrheit im Ministerrat lehnt es ab, die Einschätzung, ob eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vorliegt, wenn auch nur zum Teil der nationalen Entscheidungshoheit zu entziehen.

Gegenwind kommt ausgerechnet von Friedrichs CSU-Parteifreund Manfred Weber, Fraktionsvize der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament. Er kündigte unlängst an, seine Fraktion werde eine Schengen-Reform „nur im Paket“ mittragen: „In diesem Punkt hat die Kommission die volle Rückendeckung des Hauses.“ Weber riet Friedrich, der bisher auf EU-Ebene nur zu zwei jährlichen Schengen-Ministertreffen bereit ist, europäische Entscheidungsprozesse zu akzeptieren: „Der deutsche Innenminister hat auch ein Interesse daran, nicht aus der Zeitung zu erfahren, dass Dänemark wieder Grenzkontrollen einführt.“