Erst hat das Land wegen des EnBW-Deals die Electricité de France verklagt. Nun verklagt auch die EdF das Land: Sie fordert Schadenersatz in Millionenhöhe für eine angeblichen „Kampagne“ .

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Paris - Die Drohung ist schon mehr als ein Jahr alt. Höchst empört reagierten die Anwälte der Electricité de France (EdF) im März 2012 auf die kurz zuvor eingereichte Schiedsklage des Landes. „Exorbitante Schadenersatzzahlungen“ verlange die Landesfirma Neckarpri, weil sie für die EnBW-Aktien der Franzosen angeblich viel zu viel bezahlt habe, beschwerten sie sich beim damaligen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, dem CDU-Mann Ulrich Müller.

 

Doch die Anrufung des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris sei „sowohl schlecht durchdacht als auch unbegründet“, so die Anwälte. Dann folgte der entscheidende Satz: Die EdF werde sich „mit aller Kraft verteidigen und sowohl die Neckarpri als auch das Land für alle Schäden, die ihr aus dieser  . . .rechtsmissbräuchlichen Klage entstehen könnten, zur Verantwortung ziehen“.

EdF verlangt Schadenersatz für „Kampagne“

Inzwischen hat der Pariser Staatskonzern den Worten Taten folgen lassen. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung erhob er bereits vor einigen Monaten beim ICC-Schiedsgericht Widerklage gegen das Land beziehungsweise die Neckarpri GmbH, die die EnBW-Aktien hält. Der Forderung aus Baden-Württemberg, die einem Gutachten zufolge zu viel bezahlten 834 Millionen Euro zurückzuerstatten, setzt er damit eine eigene Forderung entgegen: Wegen der negativen Auswirkungen der Klage auf die Geschäftschancen in Deutschland und einer angeblichen „Medienkampagne“ der Landesregierung verlangt die EdF Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe, dem Vernehmen nach 20 Millionen Euro. Eine solche Widerklage ist nach den ICC-Regeln möglich und zusammen mit der Antwort auf die eigentliche Klage einzureichen.

Von der EdF war auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten. „Kein Kommentar“, hieß es unter Verweis auf die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens. „Wenn man angegriffen wird, wehrt man sich“, verlautete aus Paris – frei nach dem Motto: Gegenangriff ist die beste Verteidigung. Auch das Finanzministerium in Stuttgart wollte sich nicht zu der Frage äußern, für wie begründet man die Gegenklage in der Sache und der Höhe halte. „Die Schiedsklage ist ein laufendes Verfahren, das wir nicht kommentieren“, sagte eine Sprecherin des Ressorts von Nils Schmid (SPD).

Dessen Amtschef Wolfgang Leidig hatte auf die Drohungen der Franzosen demonstrativ gelassen reagiert. „Wir sehen keine Grundlage für Schadenersatzansprüche“, sagte er bereits vor einem Jahr der StZ. Auch den Vorwurf, die Schiedsklage erfolge rechtsmissbräuchlich, wies er damals zurück: Diese Möglichkeit sei im Kaufvertrag mit der EdF ausdrücklich vorgesehen.

Den deutschen Markt wieder im Blick

Hintergrund der Gegenklage sind offenbar bisher nicht realisierte Pläne der Electricité de France, sich wieder in Deutschland zu engagieren. Zu den größten Bedenken des Konzernchefs Henri Proglio gegen den EnBW-Deal gehörte es, dass ein Rückzug aus dem größten europäischen Energiemarkt in der Branche nicht verstanden werden würde; die Partnerschaft mit der EnBW hatte immerhin mehr als zehn Jahre gewährt. Wenige Wochen nach dem Verkauf des 45-Prozent-Anteils hatte der EdF-Vorstand (und frühere EnBW-Vizechef) Pierre Lederer angekündigt, man werde sich wieder jenseits des Rheines umschauen. „Hier müssen wir präsent sein – und wir werden bald wieder eine Rolle spielen“, sagte er dem „Handelsblatt“.

„Wir wollen Großkunden beliefern und könnten uns an Kraftwerken oder Projekten für erneuerbare Energien beteiligen“, sagte Lederer im Januar 2011 – also noch vor Fukushima und der deutschen Energiewende. Auch nach Zukäufen halte man Ausschau, Stadtwerke suchten schließlich „regelmäßig nach Partnern“. Seither ist über etwaige neue Engagements der Franzosen in Deutschland nichts bekannt geworden; in Berlin unterhalten sie immerhin eine Art Verbindungsbüro.

Umfrage zum EdF-Image löst Spott aus

Durch die Schiedsklage des Landes und die dadurch bedingte negative Publizität sieht die EdF offenbar ihre Marktchancen in Deutschland beeinträchtigt. Möglicherweise ist dies auch einer der Hintergründe, vor dem der Konzern zu Jahresbeginn sein Image in Deutschland erkunden ließ. Ein von ihm beauftragtes Marktforschungsinstitut wollte Meinungsführer „über Ihre Wahrnehmung von EdF, über die Stärken und Schwächen von EdF sowie ihre Entwicklungsperspektiven in Deutschland“ befragen. Es gehe darum, „das Image von EdF in Deutschland präzise zu definieren“, hieß es in einem Anschreiben.

Kontaktiert wurden auch die Obleute von Grünen und SPD im EnBW-Ausschuss, die eine Teilnahme an der Befragung jedoch mit spöttischem Unterton ablehnten. Ihre Antworten: Um das Ansehen der EdF zu heben, solle Konzernchef Henri Proglio endlich als Zeuge nach Stuttgart kommen und das Schiedsverfahren mit einem großzügigen Vergleich abkürzen. Über das Ergebnis der Image-Studie wurde übrigens nie etwas bekannt.