Baden-Württemberg ist beim Schienenausbau lange grob benachteiligt worden. Das soll sich nach dem Willen der Grün-Roten Landesregierung ändern, betonen der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Verkehrsminister Winfried Hermann.

Stuttgart - Formal handelt es sich um einen bürokratischen Vorgang, aber tatsächlich ist es ein Hilferuf. Das Landeskabinett hat in seiner jüngsten Sitzung die Anmeldungen für die baden-württembergischen Bahnprojekte im nächsten Bundesverkehrswegeplan beschlossen. Die Order aus Stuttgart beläuft sich auf etwa zehn Milliarden Euro. Was aber tatsächlich im Südwesten ankommen wird, ist ungewiss.

 

Die Erfahrungen mit dem aktuellen, vom Jahr 2003 bis 2015 laufenden Bundesverkehrswegeplan sind jedenfalls schlecht. Wenig ist umgesetzt, so dass alle großen Neu- und Ausbauprojekte auch im neuen Plan wieder auftauchen, zuvörderst die Rheintalstrecke, deren weitere Realisierung mit vier bis fünf Milliarden Euro zu Buche schlägt. Nur im Rheintal sei in den vergangenen 15 Jahren überhaupt gebaut worden, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), ansonsten sei praktisch nichts geschehen.

Hermann bezeichnete die Bedeutung der Rheintalstrecke als „herausragend“. Ums so schlimmer sei es deshalb, dass während eines Vierteljahrhundert gerade mal ein Drittel des Großprojekts im Rheintal erledigt sei. Zu den weiteren bedeutsamen Projekten gehören die Neubaustrecke Stuttgart – Ulm mit drei Milliarden Euro, sowie der Ausbau der Gäubahn in Richtung Zürich und die Elektrifizierung der Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen. Eine weitere Milliarde Euro ist für kleinere Projekte im regionalen Verkehr reserviert.

Das Problem: es fahren noch viele Dieselloks

Überhaupt sei es ein Problem, so Hermann, dass ein Drittel der Bahnstrecken im Land noch gar nicht elektrifiziert seien. Bei fortschreitender Elektro-Mobilität auf der Straße müsse die Bahn aufpassen, dass sie in der Zukunft mit ihren Diesellokomotiven nicht mit dem Image des Umweltsünders belegt werde. Allerdings ist es auch nicht ausgemacht, bis wann und in welchem Umfang sich bei den Autos der Elektroantrieb durchsetzen wird.

Der neue Bundesverkehrswegeplan soll von 2015 an gelten – in der Regel für eine Zeitspanne von etwa fünfzehn Jahren. Verkehrsminister Hermann machte darauf aufmerksam, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland fast 33 Milliarden Euro in die Bundesschienenwege investiert wurden. Lediglich 1,6 Milliarden Euro flossen nach Baden-Württemberg – keine fünf Prozent der Gesamtsumme. Und das bei einem zehnprozentigen Anteil des Landes am deutschen Schienennetz. „Nach den notwendigen Jahren des Aufbau Osts brauchen wir jetzt einen Aufbau Südwest“, sagte Hermann. Als weiteren Grund für den schwachen Mittelzufluss erkennt der Verkehrsminister – nicht wirklich überraschend – im Projekt Stuttgart 21. Nach Hermanns Version ist der Bund davon ausgegangen, dass das Land Stuttgart 21 bekomme, da müsse es eben Zurückhaltung in anderen Projekten aushalten. Dazu bemerkte die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi, der Verkehrsminister habe offenkundig noch immer nicht seinen Frieden mit dem Projekt Stuttgart 21 gefunden.

Kretschmann: Steuererhöhungen auch für Ausbau der Schiene

Hermann wie auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterstreichen Finanzierungsbedarf für den Ausbau der Schiene die Notwendigkeit von Steuererhöhungen, wie sie auf dem Bundesparteitag der Grünen am vergangenen Wochenende beschlossen wurden. „Diese Infrastruktur ist bedeutsam für die Bundesrepublik“, sagte Kretschmann. Hermann sekundierte, der bisherige Finanzierungsrahmen für die Bundesschienenwege sei völlig unzureichend.