Das deutsche Schienennetz ist rund 34 000 Kilometer lang und an ihm nagt der Zahn der Zeit. Die Bahnaufsicht in Bonn, so deckt eine TV-Sendung auf, hat seit 2012 mehr als 100 kritische Sicherheitsprobleme bei der Bahn gerügt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Das deutsche Schienennetz ist rund 34 000 Kilometer lang und an ihm nagt der Zahn der Zeit. Gleise, Weichen, Signalanlagen, Tunnel, Brücken und Bahnhöfe sind vielfach nicht im besten Zustand, das ist bekannt. Die Deutsche Bahn (DB), die das bundeseigene Netz betreibt und für Wartungen und Reparaturen verantwortlich ist, musste sich daher schon viel Kritik anhören - auch von der Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahnbundesamt (EBA) mit Sitz in Bonn. Meist dringt von Untersuchungen der Behörde gegen den größten Staatskonzern kaum etwas nach draußen.

 

Das EBA ist Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) unterstellt und gibt sich meist zugeknöpft. Umso bemerkenswerter ist es, dass dem Fernsehjournalisten Hermann Abmayr sieben Aktenordner vorliegen, die Unterlagen zu 81 Verwaltungsverfahren sowie 49 amtliche Bescheide des EBA gegen die DB wegen Mängeln im Schienennetz enthalten. In allen Fällen sahen die Beamten demnach „eine besondere Eilbedürftigkeit“ und ordneten sofortige Maßnahmen gegen den Konzern an, um „Gefahren für Leib oder Leben“ von Fahrgästen und Personal zu verhindern. Teilweise musste das EBA sogar Zwangsgelder verhängen, damit Mängel endlich beseitigt wurden. Das schildert Abmayr in seiner Dokumentation „Die Methode Bahn – Preise rauf, Angebote runter“ für die ARD.

Holzklötzchen als Hilfsmittel

Auf der Rheintalstrecke zwischen Mannheim und Rastatt, die von ICE-Zügen mit bis zum Tempo 200 befahren wird, warnte das EBA zum Beispiel vor der potenziellen Gefahr, dass Züge wegen Gleismängeln verunglücken können. Im Streckenanschnitt beim Bahnhof Karlsruhe-Blankenloch hatte sich ein Anwohner wegen lauter Geräusche beschwert. Bei der Prüfung stellte die Behörde fest, dass auf Gleis 12 die Schienen lose im Schotterbett lagen und ordnete mit sofortiger Wirkung an, dass Züge die Gefahrenstelle nur noch mit Tempo 40 befahren dürfen. Die DB Netz hatte die Stelle, wie aus dem Bescheid hervorgeht, neun Monate lang immer wieder nur provisorisch mit untergelegten Holzklötzen gesichert. Eine solche Maßnahme sei aber nur kurzzeitig bis zu einer planmäßigen Reparatur sinnvoll, kritisierte das EBA.

Da die DB auch nach dem Einschreiten des Amtes auf Holzklötze setzte, folgte im August 2013 der kostenpflichtige Bescheid und die Anordnung einer „Langsam-Fahrstelle“ bis zu Reparatur. Inzwischen hat der Konzern eine Modernisierung auf dem gesamten Streckenabschnitt angekündigt, die demnächst beginnen soll. Diese Maßnahme allerdings finanziert der Steuerzahler, wie alle Neubauten und Ersatzmaßnahmen im bundeseigenen Schienennetz. Für Wartungen und Reparaturen dagegen soll die Deutsche Bahn als Betreiber des Netzes sorgen – und auch dafür bezahlen. So sieht es die 1994 umgesetzte Bahnreform vor, mit der die ehemalige Bundesbahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Für Kritiker setzt diese Regelung falsche Anreize und ist daher einer der großen Systemfehler der Bahnreform. Denn wenn die Bahn bei Wartungen und Reparaturen spart, steigert das die eigene Rendite.

Zwar wird das Netz dadurch schneller marode, doch wenn dann die Komplettsanierung fällig wird, muss dafür der Staat bezahlen. Zugespitzt formuliert: Wenn die Bahn das Netz verkommen lässt, spart das dem Konzern bares Geld – und die Steuerzahler müssen später für den Austausch verrotteter Anlagen mehr und früher blechen.

Die Bahn gibt mehr für die Instandhaltung aus als sie muss

Verschärft wird die Problematik dadurch, dass die Bahn bereits viele Jahre lang hohe Gewinne in Milliardenhöhe aus der subventionierten Netzsparte in die Konzernkassen umgeleitet hat. Auch diese Finanzströme stehen seit seit Jahren in der Kritik, vorgebracht nicht zuletzt von Wettbewerbern des Konzerns. Wegen der unklaren Trennung leitete die EU-Kommission sogar ein offizielles Prüfverfahren gegen die Bundesrepublik ein. Die Bahn weist Vorwürfe kategorisch zurück, dass auf Kosten der Sicherheit bei der Instandhaltung gespart werde. Das entbehre jeder Grundlage, heißt es bei dem Konzern. In den vergangenen Jahren habe man im Schnitt 1,4 Milliarden Euro in die Instandhaltung gesteckt und damit deutlich mehr als vorgeschrieben.

In der „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“ (LuFV) zwischen dem Bund und dem Staatskonzern ist vereinbart, dass die DB Netz jedes Jahr mindestens eine Milliarde Euro für Wartungen und Reparaturen aufwenden muss. Lange lag die Untergrenze nur bei 500 Millionen Euro. Das zunehmend marode und überalterte Schienennetz sorgt immer wieder für schlechte Stimmung zwischen der Politik und der DB. Ende 2012 gelangte ein Prüfergebnis des Eisenbahnbundesamtes an die Öffentlichkeit, wonach jede vierte von 257 untersuchten Bahnbrücken teils schwere Mängel hat. Im vergangenen Herbst räumte der Vorstandsvorsitzende der Bahn, Rüdiger Grube, erstmals selbst ein, dass der Modernisierungsbedarf im Netz bei rund 30 Milliarden Euro liege und forderte mehr Geld von der neuen Bundesregierung. Der neue Verkehrsminister Dobrindt ordnete an, dass die Regierung den Zustand der Gleise erstmals durch eigene Prüfungen untersucht. Bisher hat sich die Regierung allein auf die sogenannten Netzzustandsberichte der Bahn verlassen.