Die EU will das Bahnnetz vom Schienenverkehr trennen. Die Deutsche Bahn leistet dagegen weiter heftigen Widerstand. Dabei hat Brüssel seine Liberalisierungspläne bereits deutlich abgeschwächt.

Brüssel - Nachdem der Termin aufgrund großer Bedenken der deutschen und französischen Regierung bereits zweimal verschoben worden war, hat die EU-Kommission am Mittwoch ihren Gesetzesvorschlag zur Reform des europäischen Eisenbahnmarkts vorgestellt. Schon seit Monaten hatte die Deutsche Bahn (DB), aber auch die Bundesregierung gegen die von Brüssel favorisierte Trennung von Netz und Betrieb mobilgemacht, weil das sogenannte Unbundling (zu Deutsch: Entbündelung) zu einer Zerschlagung des DB-Konzerns geführt hätte. Das ist der Grund, warum der EU-Verkehrskommissar Siim Kallas umgeschwenkt ist und seinen Plänen nun eine zweite Liberalisierungsoption hinzugefügt hat. Eine übergeordnete Holdingstruktur wie bei der Deutschen Bahn soll demnach zulässig bleiben, wenn die Sparten strikt getrennt und „zwischen ihnen chinesische Mauern eingezogen werden“, wie Kallas in Brüssel sagte.

 

Vorbild des Kompromisses innerhalb der EU-Kommission, den nach StZ-Informationen der deutsche Kommissar Günther Oettinger über das vergangene Wochenende mit ausgearbeitet hat, ist der Energiesektor. Dort war es beispielsweise der EnBW möglich, das Stromnetz unter der Voraussetzung im Konzern zu behalten, dass es als weitgehend autonomes Tochterunternehmen unter eigenen Aufsichtsregeln geführt wird. Im Bahnbereich soll es nun etwa so sein, dass es keine Überschneidungen beim Management geben darf und ein personeller Wechsel von einer Sparte zur andern erst nach einem mindestens zweijährigen Intermezzo möglich ist.

Der Bahn-Gewinn kommt aus bezuschussten Konzernsparten

Die entscheidende Neuerung, die noch von den 27 Regierungen und dem Europaparlament beraten und verabschiedet werden muss, ist jedoch die erklärte Absicht der EU-Kommission, die Quersubventionierung zwischen den Sparten des Konzerns grundsätzlich zu untersagen. Dies dürfte ebenfalls der Grund dafür sein, dass die Bahn auch den abgeschwächten Brüsseler Vorschlag für „nicht akzeptabel“ hält, wie aus Unternehmenskreisen gegenüber der Nachrichtenagentur dapd verlautete. Er werde „faktisch einer Trennung“ von Netz und Betrieb gleichkommen.

Brüssel ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass der Gewinn der Bahn AG zu etwa zwei Dritteln aus Konzernsparten kommt, die öffentlich bezuschusst werden. Das geschieht beispielsweise im Regionalverkehr durch Länder, Städte und Gemeinden sowie bei Infrastrukturprojekten in erster Linie durch den Bund. „Ohne die Subventionen in diesen Bereichen“, so ein Kommissionsmitarbeiter, „gäbe es überhaupt keinen Gewinn.“

„Gewaltiger Druck von allen Seiten“

Kallas räumte ein, dass es „gewaltigen Druck von allen Seiten gegeben hat“. Es gebe nun „mehr Flexibilität“, doch sei er nicht eingeknickt. Der Kommissar aus Estland führte in diesem Zusammenhang eine Sicherheitsklausel an, die garantieren soll, dass es tatsächlich zu mehr Wettbewerb kommt: Von 2019 an kann ein Mitgliedstaat einem Bahnunternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat den Marktzugang verwehren, wenn die EU-Kommission dessen Holdingstruktur weiterhin als unfair oder wettbewerbsverzerrend erachtet.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer begrüßte indirekt, dass es nun eine zweite Option gibt: „Eine starre ideologisierte Vorgabe nur eines bestimmten Modells würde den sehr unterschiedlichen Verhältnissen in den europäischen Mitgliedstaaten nicht gerecht“, so der CSU-Politiker: „Das von der Kommission angestrebte Ziel eines freien Zugangs zum Bahnnetz in der EU ist auch mit integrierten Konzernen erreichbar.“

EU-Kommissar Oettinger, der im Kommissarskollegium anfangs allein gestanden hatte, verteidigte den Beschluss offensiv gegen die Kritik der Bahn. „Mit der Holding-Option wird eine für die Deutsche Bahn AG pragmatische Lösung angeboten“, so Oettinger. Diese könne im Fortgang des Gesetzgebungsprozesses „gegebenenfalls“ noch verbessert werden.

Es geht auch um Expansion ins Ausland

Das vierte Gesetzespaket zum europäischen Eisenbahnverkehr beinhaltet neben der Trennung von Netz und Betrieb noch eine Reihe weiterer Vorschläge. So soll von 2019 an der Personenverkehr im Inland liberalisiert werden. In Deutschland sind vielerorts schon andere Anbieter im Markt, in anderen EU-Staaten noch überhaupt nicht.

Um die stärkere Expansion in andere Länder überhaupt zu ermöglichen, sollen auch technische Normen und Bestimmungen angeglichen werden. Dazu wird die Europäische Eisenbahnagentur deutlich aufgewertet und zur einzigen Anlaufstelle etwa für die Zulassung von Zügen gemacht. Auch die verschiedenen Netzbetreiber sollen in einem neuen Gremium zusammenkommen. Als Negativbeispiel aus der jetzigen Praxis nennt die EU-Kommission die Oberrheintrasse: Entlang der Trasse Rotterdam–Genua seien Investitionen getätigt worden, die sich nun erst später amortisieren würden, weil entgegen den ursprünglichen Zeitplänen „die deutschen Investitionen erst in einigen Jahren folgen“.

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