Die Modernisierung ist an vielen Stellen überfällig, wie die Probleme der Deutschen Bahn an der ICE-Strecke nach Hannover zeigen. 

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Mit Weitsicht Zukunft planen“ – so begrüßt die DB Netze AG ihre Kunden auf der Homepage im Internet. Doch gerade an Weitsicht scheint es dem bundeseigenen Unternehmen, das als Betreiber für 34 000 Kilometer Gleisnetz verantwortlich ist, manchmal zu fehlen. Der plötzliche gewaltige Sanierungsbedarf an der wichtigen ICE-Strecke Hannover-Kassel, der jetzt bekannt geworden ist, bestärkt jedenfalls Skeptiker in der Ansicht, dass hier einiges im Argen liegt.

 

Es gibt erheblichen Erklärungsbedarf. Geplant haben die Infrastruktur-Manager der Deutschen Bahn, die Konzernvizechef Volker Kefer unterstellt sind, zuletzt eine ganze Menge. Immerhin 28 Milliarden Euro sollen bis 2019 in das größte Modernisierungsprogramm der Bahngeschichte fließen, das im Februar stolz von Konzernchef Rüdiger Grube präsentiert wurde. 850 Baustellen soll es allein in diesem Jahr geben und viele Beeinträchtigungen für die Fahrgäste. Von einer kompletten Streckensperrung der ICE-Piste zwischen dem 23. April und 8. Mai war da noch keine Rede.

Die Infrastruktur ist überaltert

„Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass solche Pläne nicht früher angekündigt werden“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Zumal der Konzern offenkundig schon länger davon weiß. Das belegen Antworten von DB-Mitarbeitern im Internet-Kundenforum (community.bahn.de), wo sich Nutzer schon am 19. März beschwerten, dass Sparpreistickets für Ende April nicht mehr gebucht werden konnten. Die offizielle DB-Auskunft lautete schon damals, dass es „eine kurzfristige Vollsperrung“ vom 23. April bis 7. Mai geben werde. Die Ursache: dringender Sanierungsbedarf. Die Sparpreise seien wieder zu haben, wenn der Ersatzfahrplan vorliege, voraussichtlich bis zum 23. März, so die Auskunft. Noch mehr erstaunt, dass die DB Netz AG erst am Abend des 31. März offiziell mitteilt, dass die Strecke zwischen Hannover und Kassel zwischen dem 23. April und dem 8. Mai gesperrt werden wird. Das deutet auf ganz erhebliche Turbulenzen hinter den Kulissen hin.

Klar ist: Die DB AG ist für den sicheren Betrieb des Schienennetzes verantwortlich. Klar ist auch: Die Infrastruktur hat viele Mängel und ist überaltert, nicht zuletzt wegen teils mangelnder Instandhaltung durch den Konzern und Unterfinanzierung durch den Bund als Eigentümer. Umso genauer schauen inzwischen die Aufsichtsbehörden hin. Massiver Sanierungsbedarf an Brücken und Tunneln wurde bereits festgestellt, nun scheint auch das Schotterbett vieler Gleise zum Problemfall zu werden. Das ist kein Wunder, denn viele Strecken haben Jahrzehnte Betrieb hinter sich. Besonders Hochgeschwindigkeitspisten sind extremen Belastungen ausgesetzt, die Strecke Hannover-Kassel ist für Tempo 280 zugelassen und wird täglich von bis zu 170 Zügen genutzt, darunter nachts auch viele schwere Güterzüge. Das Ergebnis: Das Schotterbett nutzt sich ab, die Steine verlieren durch den Druck und die Erschütterungen an Halt. Nichts ungewöhnliches, aber sicherheitsrelevant.

Reparatur funktioniert nicht bei jedem Wetter

Die Bahn überwacht den Zustand durch Messzüge. Spezielle Reinigungsmaschinen nehmen zudem von Zeit zu Zeit den Schotter auf und verfüllen neue Steine, damit der Halt wieder gegeben ist. Diese punktuellen Maßnahmen aber reichen offenbar nicht mehr aus. Nach StZ-Informationen muss deshalb auf 30 Kilometern das Schotterbett komplett erneuert werden, damit sich Schwelen und Gleise nicht weiter verschieben und der sichere Bahnbetrieb weiter gewährleistet werden kann. Die Eile ist offenbar auch geboten, weil die Sanierungen nur bei mittleren Temperaturen um die 20 Grad durchgeführt werden sollten.

Das Eisenbahnbundesamt betont zwar, dass es keine akuten Sicherheitsprobleme gebe. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hätte die Behörde aber in absehbarer Zeit angeordnet, dass Züge nur noch mit verringerter Geschwindigkeit fahren dürfen. Das hätte die Fahrpläne der Bahn noch viel mehr durcheinander gebracht.