Die SPD im Landtag sieht die Verantwortung für die Verzögerung der Zuglieferung bei Verkehrsminister Winfried Germann (Grüne). Schließlich verpachte eine Tochter des Landes Baden-Württemberg die Fahrzeuge an den neuen Streckenbetreiber Abellio.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die nun eingeräumten Lieferschwierigkeiten für neue Züge, die im Regionalverkehr in Baden-Württemberg eingesetzt werden sollen, haben die Landespolitik erreicht. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Martin Rivoir, kritisiert Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) scharf. Der steige „zum ‚Master of Disaster‘ der baden-württembergischen Verkehrspolitik auf“. Der Minister hätte wissen müssen, dass „insbesondere bei Verkehrsprojekten die Fertigstellung per ‚Manndeckung‘ engmaschig kontrolliert werden muss und man sich nicht einfach auf die Aussagen des Herstellers verlassen darf.“

 

Tatsächlich ist ein weitestgehend im Hintergrund agierendes Unternehmen für die Fahrzeugbeschaffung zuständig, das zum Geschäftsbereich des Landesverkehrsministers gehört: die Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg (SFBW). Die Anstalt des öffentlichen Rechts wurde durch das „Gesetz über die Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg (SFBW)“ errichtet. Die Anstalt werde „mit der Beschaffung und Verpachtung von Fahrzeugen für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg“ betraut.

Tochterfirma des Landes kauft Züge – Betreiber pachtet die Fahrzeuge

Mit der Neuausschreibung des Schienenregionalverkehrs in Baden-Württemberg hat das Land ein neues Fahrzeugfinanzierungsmodell ersonnen. Der Hintergedanke: Das finanziell ordentlich dastehende Land kann zu deutlich besseren Konditionen Kredite aufnehmen, um Neufahrzeuge zu finanzieren als es etwa neu in den Nahverkehrsmarkt drängenden Unternehmen möglich ist. Das könnte diese gegenüber arrivierten Anbietern bei der Angebotsabgabe benachteiligen. Also kauft das Land über die SFBW in enger Absprache mit den Eisenbahnunternehmen Züge und verpachtet diese wieder an die Firmen, die mit dem Regionalverkehr vom Land beauftragt worden sind. Die Pachtzahlungen für die Züge sollen die Kredite tilgen.

Soweit die Theorie. Die Anstalt, 2015 ins Werk gesetzt, hat zum Jahresabschluss 2017 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – Verbindlichkeiten in Höhe von 692,4 Millionen Euro angehäuft. Dem steht ein Anlagevermögen von 676 Millionen Euro gegenüber. „Erste Pachtzahlungen werden im Januar 2018 eingehen“, heißt es dazu im Beteiligungsbericht des Landes Baden-Württemberg. Wie hoch die ausgefallen sind, ließ die SFBW am Mittwoch auf Anfrage unbeantwortet.

Enge personelle Verbindung der Tochterfirma mit dem Land

Mit der Leitung der Anstalt ist Volker M. Heepen betraut, im Hauptberuf Geschäftsführer der sich ebenfalls vollständig im Landesbesitz befindlichen Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg; sie bietet der SFBW auch Obdach. Für sein Wirken in der Anstaltsleitung erhält Heepen jährlich 12 000 Euro. Über die Geschäfte der SFBW wacht ein dreiköpfiger Verwaltungsrat, an dessen Spitze Gerd Hickmann steht.

Der Verkehrsberater, der für die Grünen im Kreistag von Tübingen sitzt, dient in Hermanns Ministerium als Leiter der Abteilung 3 und verantwortet damit den Bereich Öffentlicher Verkehr. Die Frage, wie oft sich das Gremium in den zurückliegenden Jahren mit dem Fertigungs- und Zulassungsstand der bestellten Schienenfahrzeuge befasst hat, ließ die SFBW ebenfalls unbeantwortet.