Das Landgericht ist unbeeindruckt von Einwänden des Bundesgerichtshofs. Der Mann, der in Sindelfingen auf seinen Chef geschossen hat, bleibt im Gefängnis.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Das Urteil ist ein deutliches Signal in Richtung des Bundesgerichtshofs, des BGH. Der Mann, der im November 2015 in seiner Sindelfinger Wohnung auf seinen Chef geschossen hat, bleibt auch nach der zweiten Verhandlung im Gefängnis. Sein Verteidiger Mustafa Kaplan hatte gefordert, die ursprüngliche Strafe von vier Jahren Haft auf zwei Jahre zur Bewährung zu mindern. Stattdessen entschied sich das Gericht unter dem Vorsitzenden Jörg Geiger für dreieinhalb Jahre.

 

Die entscheidende Frage war, ob der 40-Jährige tatsächlich in der Absicht geschossen hatte zu töten. Daran zweifelte der Bundesgerichtshof, weil der einzige Schuss durch die Wohnungstür gefeuert wurde. Die Waffe war eine umgebaute Schreckschusspistole, die Durchschlagskraft der Munition nach dem Durchdringen des Holzes nahe Null. Die Kugel traf als Querschläger und hinterließ lediglich einen roten Fleck auf der Haut. Deshalb musste das Landgericht ein zweites Mal verhandeln.

„Der Angeklagte wollte seinen Chef töten“

Ungeachtet der Einwände „war die Schreckschusspistole grundsätzlich geeignet, einen Menschen zu töten, und der Angeklagte wollte seinen Chef töten“, sagte Geiger zur Begründung des Urteils. Dem Schuss war ein Streit vorausgegangen. Der Angeklagte war nicht zur Arbeit gekommen, weshalb der Chef und ein Kollege ihn besuchten. Dies ursprünglich „in guter Absicht, in Sorge um ihn“, sagte Geiger. Allerdings schlug die gute Absicht im Wortgefecht derart um, dass der Chef seinem Angestellten die Nase brach und einen Zahn ausschlug. Der 40-Jährige griff zur Waffe, um sich für die Misshandlung zu rächen.

Entscheidend war für das Gericht das Verhalten des Angeklagten nach dem Schuss. Er rannte brüllend, blutend und barfuß in die Novembernacht, die Waffe in der Hand, um seinen Chef zu verfolgen und nach der Überzeugung des Gerichts, um ihn zu erschießen. „Für dieses Verhalten ein anderes Motiv anzunehmen, wäre lebensfremd“, sagte Geiger. Weitere Schüsse seien nur deswegen nicht gefallen, weil die Pistole eine Ladehemmung hatte. Das Opfer entkam und versteckte sich. Der Täter prügelte mit der Pistole auf dessen Wagen ein.

Dass die Strafe ein halbes Jahr niedriger ausfällt als ursprünglich, fußt auf dem Verhalten des Angeklagten zu seinem Kollegen. Die beiden diskutierten noch auf der Straße miteinander, bis jener Kollege entnervt sagte: „Macht doch, was ihr wollt“ und ging. Er „war nicht Ziel der Aggression“, sagte Geiger. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, er habe zumindest in Kauf genommen, dass der Schuss auch seinen Kollegen hätte treffen können. Was zwar möglich gewesen wäre, aber das friedliche Verhalten nach der Tat gilt juristisch als Rücktritt von ihr.