Niedrige Wasserstände und die Havarie bei der Loreley: 2011 war für die Binnenschiffer in Baden-Württemberg kein gutes Jahr. Die Häfen des Landes kämpfen mit dem Rückgang des Transportvolumens.

Mannheim - Auf den Wasserstraßen erfolgen Transporte auf dem umweltfreundlichsten Weg. So heißt es immer. Und trotzdem transportieren Binnenschiffe immer weniger Güter – jedenfalls im Land. Nur ganz knapp hat Baden-Württemberg 2011 beim Güterumschlag in seinen Häfen den zweiten Rang hinter Nordrhein-Westfalen behaupten können – vor Niedersachsen. Das Statistische Landesamt verzeichnete für acht von zehn Anlegestellen im Südwesten Rückgänge.

 

Nun war das vergangene kein gutes Jahr für die süddeutsche Binnenschifffahrt. Nach der Havarie der „Waldhof“ auf Höhe der Loreley im Januar war der Rhein gleich zu Beginn des Jahres vier Wochen lang gesperrt. Im Mai und im November sorgten niedrige Wasserstände dafür, dass Schiffe nur noch mit einem Drittel der üblichen Ladung fahren konnten. Das schlägt sich natürlich auch in der Bilanz der in den Häfen des Landes umgeschlagenen Güter nieder. Um sieben Prozent schloss 2011 schlechter ab als 2010. Die Zahlen für die ersten Monate des laufenden Jahres zeigen wieder nach oben.

Auf dem Wasser wird weniger transportiert

Das kann aber nicht über die langfristige Entwicklung hinwegtäuschen. Der gesamte Güterumschlag in Baden-Württemberg lag vergangenes Jahr um 14,6 Prozent unter dem von 2005. Das Ergebnis des Jahres 2000 wurde sogar um 24 Prozent unterboten, das von 1990 um 36,1 Prozent. Entgegen allen Beteuerungen wird auf dem Wasser also immer weniger transportiert.

Das Ergebnis sind zum einen dramatische Umschichtungen in der Hafenlandschaft. So kann zum Beispiel der Rheinhafen Kehl gegen den Landestrend mit Zuwächsen aufwarten. Vergangenes Jahr erzielte er ein Rekordergebnis, steigerte den Güterumschlag um 4,3 Prozent. Gegenüber 1990 stieg dort er um 45,7 Prozent. Zu zwei Dritteln werden dort Eisen- und Stahlwaren umgeschlagen. Kehl ist inzwischen fast so groß wie der Hafen in Heilbronn. Dieser hat seit 1990 fast 39 Prozent seines Güterumschlags verloren und hält sich nur mühsam auf Position drei. Steine und Erden sind dort das Haupthandelsgut.

Der Mannheimer Hafen hat den Karlsruher abgehängt

Noch etwas stärker ist der Rückgang in der Landeshauptstadt Stuttgart, wo vergangenes Jahr nicht einmal mehr eine Million Tonnen Güter aus- und eingeladen wurden – fast 40 Prozent weniger als 1990. Entschieden ist das Wetteifern um den Spitzenplatz. Karlsruhe, das hier in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch unangefochten war, musste diese Position an Mannheim abgeben. In den beiden Anlagen in Karlsruhe, dem Rheinhafen und dem Ölhafen – mit Letzterem ist angedeutet, was in Karlsruhe das wichtigste Handelsgut ist – wurde vergangenes Jahr nur noch etwas mehr als die Hälfte der Menge umgeschlagen, die dort 1990 gehandelt worden war. Mannheim hat sich demgegenüber einigermaßen behaupten können. Dort bestimmen in erster Linie Kohle und chemische Erzeugnisse das Geschäft.

Etwa sieben Prozent aller Güter werden in Containern verschifft. Auch hier wurde vergangenes Jahr ein niedrigeres Ergebnis erzielt als im Vorjahr, das Transportaufkommen sank laut Statistischem Landesamt um fast zwölf Prozent. 89 Prozent der Container werden auf dem Oberrhein verschifft. Der Containerverkehr ist nach wie vor der Hoffnungsträger der Verkehrspolitiker. Hier hat es in den 90er Jahren einen steten Anstieg des Transportvolumens gegeben. Etwa seit dem Jahr 2005 pendelt das Aufkommen um rund 200 000 Container.

Die Neckarschleusen sollen ausgebaut werden

Um den Containertransport weiter voranzubringen, sollen am Neckar Hunderte Millionen Euro investiert werden. Die heutige Bundeswasserstraße wurde 1921 für ein Verkehrsaufkommen von drei bis vier Millionen Tonnen Güter ausgelegt. Vergangenes Jahr wurden immerhin 6,5 Millionen Tonen über den Neckar bewegt, vor 15 Jahren waren es über zehn Millionen Tonnen. Auf den 203 Kilometern von Plochingen bis Mannheim müssen die Schiffe in 27 Staustufen über 160 Höhenmeter überwinden. Die Schleusen sind für heute im Containerverkehr gängige Schiffe zu klein und müssen deshalb wegen ihres Alters nicht nur saniert, sondern erweitert werden. Der Fluss selbst müsste an manchen Stellen tiefer, manche enge Kurve erweitert werden.

Darüber redet man auch schon seit zehn Jahren, passiert ist seither nicht viel – abgesehen davon, dass in Heidelberg das Amt für Neckarausbau geschaffen wurde. Bis zum Jahr 2026 sollen die Schleusen zwischen Mannheim und Heilbronn verlängert worden sein. Dafür will der Bund 260 Millionen Euro ausgeben. Weitere 800 Millionen Euro müssen für die Sanierung oder den Neubau der Wehre veranschlagt werden. Laut Neckarausbauamt dauert das Programm „voraussichtlich bis 2058“.

Der Rhein gilt als „Binnenwasser-Autobahn“

Auf dem Neckar wird – über die Jahre konstant – etwa ein Viertel der Güter ins Land hinein- und aus ihm hinausgebracht. Das Gros des Transports läuft über den Rhein; drei Viertel des Binnengüterverkehrs im Südwesten werden über ihn abgewickelt. Der Main-Hafen in Wertheim ist eher bedeutungslos. Mit dem Rhein sind die Binnenschiffer zufrieden. „Der Rhein ist sehr gut aufgestellt – das ist eine richtige Binnenwasser-Autobahn“, sagt etwa der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen, Rainer Schäfer. Doch selbst der Rhein könnte nach seiner Einschätzung noch 50 Prozent mehr Verkehr verkraften. Wenn es Auftraggeber gäbe.

Binnenschifffahrt in Baden-Württemberg

Gütertransport:
Die Binnenschifffahrt hatte 2009 – jüngere Zahlen gibt es noch nicht – einen Anteil am Gütertransport (gemessen in Tonnenkilometern) im Land von 6,9 Prozent. 77,4 Prozent gingen über die Straßen. Die Bahn transportierte 14,2 Prozent, der Rest kam über Fernleitungen.1990 betrug der Anteil der Wasserstraße noch 12,4 Prozent; vom Rückgang des Transportvolumens der Schifffahrt hat die Straße profitiert.

Umschlag:
Die Anteile von ankommenden und abgehenden Gütern halten sich in etwa die Waage. Von den an den baden-württembergischen Häfen 28,4 Millionen Tonnen wurden 14,7 Millionen Tonnen angeliefert und 13,7 Millionen Tonnen abtransportiert.

Güter:
Ein knappes Drittel der umgeschlagenen Güter sind Erze sowie Steine und Erden. 17,5 Prozent sind Kokerei- und Mineralölerzeugnisse, 14,1 Prozent sind Kohle, Erdöl und Erdgas. Fast zehn Prozent sind Abfälle und Recyclingmaterial.

Häfen:
Im Südwesten gibt es zahlreiche Umschlagplätze, aber nur zehn Häfen. Am Neckar sind das Plochingen, Stuttgart und Heilbronn; am Rhein liegen Rheinfelden, Weil am Rhein, Breisach, Kehl, Karlsruhe und Mannheim, am Main ist es Wertheim.

Schiffe:
In Mannheim legten vergangenes Jahr rund 7000 Güterschiffe an, in Kehl 3500, in Heilbronn 2900, in Stuttgart gut 1000. Sie fahren überwiegend unter niederländischer und deutscher Flagge; einige kommen aus Belgien, wenige aus der Schweiz.