Ein halbes Jahr nach dem schweren Schiffsunglück auf dem Bodensee erlässt das Konstanzer Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den Schiffsführer eines Linienschnellbootes. Wodurch ließ er sich ablenken?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Das schwere Schiffsunglück auf dem Bodensee im August 2016 wird voraussichtlich nicht vor Gericht aufgearbeitet. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Schifffahrtsgericht in Konstanz einen Strafbefehl gegen den Schiffsführer eines Katamarans erlassen. Er soll 3600 Euro zahlen. Das Schnellboot, das im Stundentakt zwischen Konstanz und Friedrichshafen verkehrt, hatte bei bester Sicht eine Jacht gerammt und versenkt. Die Segler, ein Ehepaar aus Konstanz, wurden vom Schiff geworfen. Die Besatzung des Katamarans zog sie aus dem Wasser.

 

Kapitän legt Geständnis ab

Gegenüber den Ermittlern hat der Kapitän seine Schuld offenbar eingeräumt. Der Strafbefehl wegen „fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung“ beruft sich auf das Geständnis des Beschuldigten. Zwar sei zum Unfallzeitpunkt noch ein Kollege auf der Brücke gewesen, der Beschuldigte habe das Schiff aber verabredungsgemäß alleine gesteuert, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Andreas Mathy. Wegen der guten Sicht an jenem Tag sei dies erlaubt gewesen. Der Kollege wurde derweil von einem Schiffsingenieur in ein neues Computerlogbuch eingewiesen.

Ob dies den beschuldigten Schiffsführer ablenkte, ist unklar. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hätte der Kapitän fast eine halbe Minute Zeit gehabt, um dem bevorrechtigten Segelschiff durch eine minimale Kursänderung auszuweichen. Allerdings heißt es in einem Gutachten der Staatsanwaltschaft, dass auch der Segler den Unfall hätte verhindern können.

Ist der Gutachter seetauglich?

Hans Joachim Eckhardt, der Anwalt des Ehepaares, wies dies zurück. Der Experte der Dekra beschäftige sich normalerweise mit Autounfällen und verfüge „über keinerlei nautische Erfahrung.“ Der Katamaran habe sich von schräg hinten dem Boot seiner Mandanten genähert. Als sie die Gefahr erkannten, hätten sie noch ein „Manöver des letzten Augenblicks“ versucht – ohne Erfolg. Der Katamaran-Kapitän habe nicht einmal sein Schiffshorn betätigt.

Der Schiffsführer hat zwei Wochen Zeit, den Strafbefehl anzunehmen. Der gleichzeitige Entzug seines Auto- oder Schiffsführerscheins sei nicht geplant, sagte Staatsanwalt Mathy. Auch gelte der Mann wegen der geringen Zahl der Tagessätze nicht als vorbestraft. Derweil laufen im Hintergrund die Gespräche über die Begleichung der sechsstelligen Schadenssumme. Die Versicherung der Reederei will wohl den Wert der Jacht nicht vollständig ersetzen. Sie liegt immer noch in 200 Meter Tiefe auf dem Grund des Bodensees.