Schillerschule in Stuttgart-Bad Cannstatt Wenn Eltern nicht loslassen

An der Schillerschule in Bad Cannstatt halten sich viele Mütter und Väter nicht an Vereinbarungen und stören den Unterricht. Auch die Elternbeiratsvorsitzende bezeichnet die Vorfälle als „ziemlich krass“.
Stuttgart - Wegen massiver Störungen des Schulbetriebs hat der Leiter der Schillerschule in Bad Cannstatt einen Brandbrief an die Grundschuleltern geschrieben. Anlass dafür waren aber nicht unbotmäßige Schüler, sondern Eltern, die sich nicht an Absprachen halten. Die Probleme reichten von Ranzentragdiensten bis ins Klassenzimmer über gefährliche Parkmanöver bis zum Austragen von Familienstreitigkeiten im Schulhaus und Belästigungen der Lehrer durch Gespräche zu Zeiten, an denen die Pädagogen eigentlich unterrichten müssten. Solche Tendenzen gibt es zwar auch an anderen Schulen. Die Vorfälle an der Schillerschule bezeichnet aber selbst die dortige Elternbeiratsvorsitzende Heike Schneider als „ziemlich krass“ und stellt sich hinter den Rektor.
Eltern haben Schwierigkeiten „loszulassen“
„Persönlichkeit stärken – Gemeinschaft entwickeln“, dieser Leitspruch der Schillerschule lasse sich, zumindest im ersten Teil, „immer schwerer verwirklichen“, schreibt der Rektor Ralf Hermann den Eltern. „Das liegt auch daran, dass Eltern zunehmend Schwierigkeiten haben, loszulassen“, heißt es in dem Brief. „So erleben wir täglich, wie viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, verkehrswidrig und häufig gefährlich an der Kreuzung vor dem Haupteingang der Schule parken, Kind und Schulranzen ausladen, den Ranzen teilweise bis ins Klassenzimmer tragen, dem Sohn oder der Tochter die Jacke abnehmen, helfen die Hausschuhe anzuziehen und dann noch die Gelegenheit nützen, die unterschiedlichsten Dinge mit der Klassenlehrerin zu besprechen. Und all dies nicht selten nach Beginn des Unterrichts um 7.45 Uhr“, schreibt Hermann.
„Neben der fehlenden Selbstständigkeit der Kinder kommt es durch die große Zahl der im Haus befindlichen Eltern auch immer wieder zu Störungen des Unterrichts“, moniert der Rektor in dem Brief – etwa durch Elterngespräche vor Unterrichtsende im Flur oder winkende Eltern an Fenstern. Oftmals entstünden auch schwierige Situationen, beispielsweise durch einen „Papa“ auf der Jungstoilette oder Eltern, die mit fremden Kindern schimpften. „Doch diese sagen dann gleich Ausdrücke zurück – und dann eskaliert’s“, berichtet Hermann der StZ.
Den Eltern erklärt er in dem Brief, ihm sei eine gute Partnerschaft von Schule und Eltern wichtig. „Offenheit und Ansprechbarkeit sind in den letzten Wochen allerdings überstrapaziert worden.“ Bei „wichtigen Anliegen“, so schreibt er den Eltern, hätten Lehrer und Schulleitung „natürlich weiterhin ein offenes Ohr“.
Gegenüber der StZ räumt Hermann ein, die Probleme beträfen etwa 50 Eltern, keineswegs nur von Erstklässlern, sondern bis hin zur dritten Klasse. „Das Problem ist, dass wir mit Appellen nicht weiterkommen“, sagt Hermann. Denn bereits an den Klassenpflegschaftsabenden habe man die Dinge thematisiert und die Eltern etwa gebeten, die Kinder zu Fuß in Gruppen zur Schule gehen zu lassen.
Elternbeiratsvorsitzende: Situation ist nicht tolerierbar
Bei dem stark zugenommenen Gesprächsbedarf der Eltern gehe es oft um Kleinigkeiten. Etwa wenn ein Kind eine mit einer 2-3 benotete Mathematikarbeit nach Hause bringe und der Lehrer vermerkt habe: „Wenn du dich noch mehr anstrengst, kannst du eine Zwei schaffen.“ „Da stehen am nächsten Morgen die Eltern auf der Matte und fordern eine Erklärung“, sagt der Schulleiter.
Diese Entwicklung, die auch durch das fehlende Vertrauen der Eltern in das System Schule befördert werde, wirke sich zudem negativ auf den Lernerfolg der Kinder aus, bedauert Hermann. Unselbstständige Kinder hätten auch Probleme mit dem Lernen – „die brauchen immer jemanden, der ihnen hilft“. Allerdings sei Schule nur ein Spiegel der Gesellschaft.
Das räumt auch die Elternbeiratsvorsitzende Heike Schneider ein: „Die Tendenz, dass man den Kindern zu wenig zutraut, ist vorhanden. Kinder sind viel selbstständiger, als man denkt.“ Kinder könnten aber auch ganz schön Druck machen, etwa wenn es darum gehe, gefahren zu werden. Zugleich gebe es auch bei den Eltern „immer mehr Ängste“. Es fördere deren Vertrauen in die Schule aber nicht, wenn sie immer wieder hörten, es fehle an Lehrern und am Geld für Bildung, so Heike Schneider. Nachvollziehbar findet die Mutter einer Drittklässlerin, dass Eltern gern mehr Rückmeldung aus der Schule hätten. Doch die von Hermann beschriebene Situation könne und wolle man „nicht mehr tolerieren“ und werde dies auch bei der Sitzung des Gesamtelternbeirats thematisieren. Auch dass Eltern vor der Schule stünden und rauchten, „das geht gar nicht“, sagt Schneider, die mit der Schillerschule „sehr zufrieden“ ist.
„Es fehlt an Vertrauen in die Schule“
Auch Renate Schlüter, der geschäftsführenden Leiterin der Grund- und Werkrealschulen, sind diese Themen wohlbekannt: „Wir können Erwachsene nicht erziehen, aber wir können Regeln aufstellen.“ An ihrer Elise-von-König-Schule habe man gute Erfahrungen mit einer gemeinsam mit den Eltern entworfenen Hausordnung gemacht. „Eltern verabschieden ihre Kinder auf dem Schulhof“, heiße es darin etwa. Um die Sicherheit im Schulhaus zu erhöhen, trügen alle Mitarbeiter in der Elise-von-König-Schule Namensschilder. „Und sie haben die Verpflichtung, Menschen ohne Namensschilder anzusprechen mit den Worten: Kann ich Ihnen helfen?“, berichtet Renate Schlüter.
Die Schulordnung stärke auch die Position der Lehrer, die sich darauf berufen könnten. Aber auch Renate Schlüter stellt fest: „Es fehlt an Vertrauen in die Schule.“ Und: „Wir werden als Dienstleister gesehen.“ Dies sei aber kein Wunder: „Wir sind jahrelang von der Politik sträflich behandelt worden. Solange Schulpolitik der Spielball ist, ist es schwer, zu vermitteln: Was wir tun, ist gut und richtig.“
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