Sechs Vollzugsbedienstete des Jugendgefängnisses Adelsheim sind von Häftlingen dienstunfähig geschlagen worden. Die zehn Rädelsführer wurden in andere Gefängnisse verlegt, doch die Stimmung zwischen rivalisierenden Banden ist nach wie vor angespannt, sagt die Vizedirektorin.

Adelsheim - Sechs Vollzugsbeamte von einigen Dutzend jungen Gefangenen mit Füßen und Fäusten dienstunfähig geschlagen, das gab es noch nie in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis), sagt Maida Dietlein, die stellvertretende Anstaltsleiterin. Der Vorfall hatte sich am späten Mittwoch Nachmittag in dem Jugendgefängnis ereignet. Gegen 17 Uhr ging der Hofgang der Gefangenen zu Ende, der bis dahin friedlich verlaufen sei, wie Dietlein berichtet.

 

Dann seien eine kleine Gruppe Russlanddeutscher und eine größere „multinationale Gruppe unter kurdischer Führung“ aufeinander losgegangen. 16 Beamte schlichteten die Schlägerei von rund 50 Häftlingen. Danach habe die Multikultigruppe die Beamten angegriffen. Sechs der Justizvollzugsbeamten wurden so stark verletzt, dass sie dienstunfähig seien, einer der Beamten lag am Freitag noch im Krankenhaus.

Die Multikultigruppe sei absolut gemischt zusammen gesetzt, deutsche Staatsbürger seien ebenso dabei wie Kurden oder Türken, heißt es aus der Vollzugsanstalt. Dass Personal gezielt von einer Gruppe Gefangener angegriffen worden sei, das sei in Adelsheim zum ersten Mal vorgekommen, sagt Dietlein.

Was in den jungen Gefangenen vorgegangen ist, kann die Regierungsdirektorin nur vermuten: „Hass auf die Polizei, Hass auf Uniformierte, Hass wegen der Inhaftierung“, vielleicht sei so etwas wie ein Film in den Angreifern abgelaufen.

Acht der Rädelsführer und zwei Aggressoren aus der anderen Gruppe, die durch massive Beleidigungen auffielen, wurden am Donnerstag in verschiedene Gefängnisse des Landes verlegt. Die Gefängnisleitung hat der Staatsanwaltschaft Mosbach einen Bericht über den Vorfall geschickt, von dem es auch Filmaufnahmen gibt.

Staatsanwalt ermittelt

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft wurden aufgrund des Berichts gegen zehn Häftlinge Ermittlungen eingeleitet. Geprüft wird der Verdacht auf gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Gefangenenmeuterei. Die Beschuldigten sind zwischen 18 und 22 Jahre alt. Nicht alle der Beteiligten sitzen wegen Körperverletzung im Gefängnis. Die Bandbreite der Vergehen erstreckt sich laut Anstaltsleitung über den Katalog der Jugendkriminalität, von Raub und Diebstahl über Drogendelikte bis zur Körperverletzung.

Der Vorfall in dem Jugendgefängnis vom Mittwoch zeigt laut Dietlein, dass gesellschaftliche Probleme, wie die Aggressionen von Jugendbanden, nun auch konzentriert im Strafvollzug auftreten. „Die Banden bilden sich im Gefängnis, dann beginnen die Kämpfe, welche Gruppe die Macht unter den Gefangenen bekommt“, berichtet Dietlein. Die Gefängnisse müssten sich auf die neue Situation einstellen. Überlegungen, wie sich die Vollzugsanstalten künftig organisieren wollen, gibt es laut Dietlein viele. Nur weiß man noch nicht genau, wie man es machen will. Auch gehe das nicht von heute auf morgen.

Hofgänge eingeschränkt

Als Sofortmaßnahme nach der Eskalation vom Mittwoch dürfen nur wenige Mitglieder der Gruppe zurzeit im Gefängnis zur Arbeit gehen. Zum Teil seien auch die Hofgänge eingeschränkt worden. In Adelsheim geht es jetzt zuallererst darum, die Wogen zu glätten.

„Wir müssen jetzt schauen, dass keine weiteren Auseinandersetzungen provoziert werden und dass nicht weiteres Personal körperlich in Mitleidenschaft gezogen wird“, das steht für Dietlein ganz oben auf der Liste. Die Vizedirektorin ist „nicht sicher, dass diese Auseinandersetzung bereits vorüber ist“.

Die Stimmung zwischen den rivalisierenden Banden sei nach wie vor ziemlich aufgeheizt. Erst wenn die akute Problematik bereinigt ist, werde man überlegen, ob Unterstützung durch die Politik notwendig sei, sagte Dietlein.

In der Jugendstrafvollzugsanstalt Adelsheim sitzen nach Angaben der Anstaltsleitung zurzeit 337 Jugendliche und Heranwachsende bis 21 Jahre ein. Rund 140 Beamte arbeiten im allgemeinen Vollzugsdienst. Insgesamt sind 250 Mitarbeiter in dem Gefängnis beschäftigt.

Liste der Vorfälle

Nach Angaben des Justizministeriums gab es in den vergangenen fünf Jahren in den 17 Vollzugsanstalten des Landes vereinzelt Angriffe von Inhaftierten auf Bedienstete: In den Jahren 2011 bis 2013 waren es jeweils neun, im Jahr 2010 waren es zehn und 2009 wurden sieben Vorkommnisse gezählt. Registriert werden dabei Vorfälle, die „ernsthafter Art“ und mit einer Krankschreibung verbunden seien.

Attacken von Häftlingen untereinander kommen häufiger vor als Angriffe von Gefangenen auf Vollzugsbeamte. Dass Gefangene andere Gefangene arbeitsunfähig geschlagen haben, kam laut Justizministerium 2009 insgesamt 43 Mal vor, 2010 wurden 32 Vorkommnisse aktenkundig, 2011 waren es 29, 2012 insgesamt 51 und im Jahr 2013 berichtet das Ministerium von 37 Vorkommnissen.