Der Hospitalhof wird immer schicker. Aber die evangelische Gesellschaft will nicht, dass das Quartier ein Schickeria-Getto wird. Sie weiht eine Sitzbank für Gestrandete ein.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart-Mitte - Wie fragte einst Berthold Brecht: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Nicht ohne Grund hatte die Bezirksvorsteherin von Stuttgart Mitte, Veronika Kienzle, am Freitag ein Bild des Schriftstellers bei der Einweihung einer neuen Sitzbank im Hospitalviertel dabei, die Brecht zeigt – allerdings auf einer Bank im Stuttgarter Norden.

 

Die Bank, um die es ging, hätte Brecht vermutlich gefallen. Am neu gestalteten City-Boulevard hat sie Symbolkraft und soll sagen: Auch wenn es hier ziemlich schick geworden ist, bleibt das Hospitalviertel auch ein Viertel für die sozial Schwachen.

Die Bank ist extra so gestaltet, dass man bequem darauf nächtigen kann

Nach Angaben der Evangelischen Gesellschaft (Eva) Stuttgart, die die Patenschaft für die von der Stadt finanzierten Bank übernommen hat, soll sie diejenigen, die in ihren Gebäudekomplex an der Büchsenstraße kommen, weil sie Rat, Hilfe und Unterstützung suchen, ein Symbol des Willkommens sein. „Wir wollen klarmachen, dass es hier keinen Dresscode gibt, der Stöckelschuhe und Anzug heißt“, sagte Heinz Gerstlauer, der Vorstandsvorsitzende der Eva. Er kritisierte gleichzeitig das Vorgehen der Stadt auf der Königstraße, die Sitzbänke dort teilweise abzubauen, um gesellschaftlichen Randgruppen so die Möglichkeit zu nehmen, dort zu schlafen. „Unsere Bank ist extra so gestaltet, dass man bequem darauf nächtigen kann“, sagte Gerstlauer; aus Eichenholz und mit den entsprechenden Abmessungen.

Auch die Aufschrift soll zeigen, dass sozial Schwache im Wirkungskreis der Eva eine Anlaufstelle haben, auf die sie sich verlassen können. Das Wort „Bank-Geheimnis“ ist in das Holz eingraviert. In Anlehnung in das Versprechen der von Brecht so gehassten Finanzinstitute ist hier die Kompetenz der Beratung gemeint, die die Eva im Viertel hat. Heinz Gerstlauer lobte die Arbeit der Beschäftigten, denen die Benachteiligten in der Gesellschaft ihre Geheimnisse bedenkenlos anvertrauen könnten.

Dass in der Eva das Siegel der Verschwiegenheit bei persönlichen Angelegenheiten von in Not geratenen Menschen in Stuttgart jemals gebrochen worden wäre, darüber ist in der Tat nichts bekannt. Aber ist die Entwicklung im Hospitalviertel wirklich so sozial, wie die gut gemeinte Bank Glauben machen will?

Allein der verwaltungstechnische Kraftakt, mit der die Bank überhaupt realisiert wurde, zeigt, dass in den Amtsstuben offenbar nicht alle sozialen Projekte ganz oben auf der Agenda stehen, wenn es um das Hospitalviertel geht. Denn gefordert wurde eine entsprechende Bank vor der Hospitalkirche von Pfarrer Eberhard Schwarz schon im Jahr 2015. Viele größere Projekte, die dazu dienten, das Hospitalviertel aufzuwerten, wurden im Verhältnis ungleich schneller umgesetzt.

Die Zahl der Menschen, die im Hospitalviertel leben, ist von 800 auf 1000 gestiegen

Und auch nicht allen gefällt es, dass die Mieten im Hospitalviertel seit der Sanierung in die Höhe schnellen und dass Investoren sämtliche Gebäude, die zum Verkauf stehen, erworben haben.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung bekam ausgerechnet der Quartiersverein Forum Hospitalviertel zu spüren, der den Entwicklungsprozess überhaupt erst angestoßen hatte; die Geschäftsräume des Forums an der Fritz-Elsas-Straße wechselten den Besitzer; es folgte die Kündigung. Es wurden aber bereits neue Räume an der Hospitalstraße gefunden, die von Mai an bezogen werden sollen.

Eine Galerie, die ein ähnliches Schicksal ereilte, ist aber beispielsweise bis heute ohne neue Räume. Manche schließen daraus, dass die Gentrifizierung auch Schaden anrichtet. Martin Holch vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung sieht das anders: „Das Hospitalviertel war vor zehn Jahren noch nicht mal ein Viertel für Passanten, es war ein Viertel für Parkplätze.“ Erst seit der Aufwertung werde das Viertel mit urbanem Leben erfüllt.

Gemessen an neuem Wohnraum, der entsteht, stimmt das auch: In kurzer Zeit ist die Zahl der Menschen, die im Hospitalviertel leben, von 800 auf 1000 gestiegen. Und sie steigt weiter.