Die CDU-Opposition kritisiert die geplante Straffung der Polizeidirektionen als Angriff auf den ländlichen Raum.

Stuttgart - Wer bei der „Organisationsreform der Polizei“ meinte, bei dem Thema handle es sich um ein Binnenproblem der Landesverwaltung, durfte sich am Donnerstag im Landtag eines anderen belehrt sehen. Ungewohnt engagiert, mitunter mit Biss, teilweise aber auch verbissen, arbeiteten sich Opposition und Regierung aneinander ab. Der Innenminister Reinhold Gall (SPD) verteidigte seinen Plan, die Polizei um eine Führungsebene zu verschlanken. Die Polizeidirektionen auf Kreisebene und die den Regierungspräsidien zugeordneten Landespolizeidirektionen sollen zu insgesamt zwölf Regionalpräsidien gebündelt werden. Der Innenminister verspricht sich davon zwei Effekte: Erstens gelangen, so Gall, mehr Polizisten in den Streifendienst; zweitens werden Fachkompetenzen – zum Beispiel für Internetkriminalität – zusammengeführt.

 

Die Opposition erkennt in dem Reformvorhaben einen Angriff auf den ländlichen Raum. Insbesondere die CDU stemmt sich dagegen, flankiert von den im Landkreistag organisierten Landräten. Der CDU-Abgeordnete Thomas Blenke warnte vor einem Kahlschlag bei der Polizei im ländlichen Raum. „Machen Sie unsere Polizei nicht kaputt“, sagte Blenke. Er sei bereit über Verbesserungen zu reden. „Aber zu einer kompletten Zerschlagung sagen wir Nein.“

Ex-Justizminister lobt flachere Hierarchie

Ulrich Goll (FDP) sah es nicht ganz so dramatisch. Der frühere Justizminister entdeckte sogar einige schmucke Stellen im Reformwerk. Dazu zählt er auch eine flachere Hierarchie.

In seiner Zeit als Minister, berichtete Ulrich Goll, „habe ich nie ganz durchgeblickt, wer an der Spitze der Polizei für was zuständig ist“. Auch lobte er die Bildung von Spezialeinheiten. Er verhehlte jedoch nicht, dass ihm die Reform zu großformatig ausfällt. Zwölf Regionalpräsidien seien zu wenig. Die Regierung erschaffe „Kolosse“, die mit den Eigengesetzlichkeiten der Bürokratie zusätzliches Personal ansaugten, womit das eigentliche Ziel – mehr Polizisten auf die Straße – konterkariert werde. Wenn von den derzeit 34 Polizeidirektionen (dazu kommen noch Großstadtpräsidien) zwei Drittel übrig blieben, dann wäre dies nach Golls Ansicht genug Reform. Zudem spielte auch der FDP-Mann Ulrich Goll die Karte des ländlichen Raums aus: Zwar behaupte er nicht, die Polizei räume tatsächlich den ländlichen Raum, indes könne der Eindruck entstehen.

650 Beamte frei für den Vollzugsdienst

Das wollte Innenminister Reinhold Gall so nicht stehen lassen. Der Sozialdemokrat hielt der Opposition vor, sie komme über Kirchturmdenken nicht hinaus. „Sie setzen Schauermärchen in die Welt.“ Gall verwies namentlich auf den CDU-Landeschef Thomas Strobl, der in einer Pressemitteilung „die hässliche Fratze des Zentralismus“ in den Plänen entdeckt hatte – und der SPD vorwarf, sie wollen direkten Einfluss auf die Polizei nehmen. „Unsinn“, nannte das der Innenminister.

Gall sagte: „Ich habe mit dieser Reform nicht die Absicht, der Polizei meinen Stempel aufzudrücken, denn das ist nicht meine Polizei.“ Aber die Opposition solle auch nicht so tun, als ob die Polizei die ihre wäre. Und auf gar keinen Fall könne es angehen, dass manche Landräte und Oberbürgermeister so täten, als sei es deren Polizei. Gall sagte, die Reform setze 650 Beamte für den Vollzugsdienst frei. Dazu 240 Stellen im Verwaltungsdienst. Die Polizisten sollen je zur Hälfte zur Kriminalpolizei und in den Streifendienst kommen. Zwar werde die Kriminalpolizei stark konzentriert, dafür gebe es künftig einen Kriminaldauerdienst, der rund um die Uhr arbeite.

Minister kontert mit Stellenabbau in der CDU-/FDP-Ära

Gall warf insbesondere der CDU vor, sie habe vor einigen Jahren mehr als 200 kleine Polizeiposten gestrichen – weshalb sie jetzt nicht der Regierung vorhalten könne, sie ziehe die Polizei aus der Fläche zurück. Das Gegenteil sei der Fall. Jedes Revier bekomme eine zusätzliche Streife. Der CDU-Mann Blenke errechnete hingegen lediglich eine halbe Stelle pro Schicht. Innenminister Gall verwies darauf, dass die CDU/FDP-Regierung 1000 Stellen bei der Polizei abgebaut habe.

Die Opposition blickt im Streit über die Polizeistruktur nach Bayern. Dort wurde vor einigen Jahren die Organisation gestrafft, allerdings mit zumindest zweifelhaftem Erfolg. Gall sagte, in Bayern seien Großpräsidien mit 3000 Beamten geschaffen worden. Im Südwesten sollen dagegen künftig lediglich etwa 1500 Polizisten auf ein Präsidium kommen. In Bayern sei ein Präsidium für 30 Reviere zuständig, in Baden-Württemberg künftig für ein gutes Dutzend.