Im Hohenheimer Schloss gibt sich das Corps Germania liberal - von Rassismus keine Spur. Man lege sogar Wert auf Internationalität.

Stuttgart - Farbentragende und schlagende Verbindungen sind aus der Mode gekommen. Nur noch zwei Prozent der Studenten sind in solchen Männerbünden aktiv - 60 Prozent waren es einmal in den 30er Jahren. Dabei bieten sie mit ihren bunten Bändern und Käppchen und ihren "akademischen Glanzwaffen", die offiziell Schläger heißen, wirklich etwas fürs Auge. Zu betrachten war dies auch am Samstag beim 140. Stiftungsfest des Corps Germania an der Uni Hohenheim. Dass der aus 150 "Alten Herren", 20 angehenden "Alten Herren" und zehn Studenten bestehende Männerbund dafür kostenlos Hohenheims gute Stube benutzen durfte, den renovierten Balkonsaal des Schlosses mit Alabaster und Stuck, Kronleuchter und Eichenparkett, hat er Unirektor Hans-Peter Liebig zu verdanken. Der sagte: "Die Uni lebt von Multikulti - dazu gehören auch Studentenverbindungen."

 

Aber wie viel Multikulti tolerieren solche althergebrachten Männerbünde? Noch zu gut in Erinnerung ist jener Vorfall bei der Deutschen Burschenschaft, die ein deutsches Mitglied in der Mannheimer Hansea wegen seiner chinesischen Eltern ausschließen wollte und dies mit seiner nicht deutschen Abstammung begründete, auf die seine "nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie" hinweise - so formulierte es ein Rechtsgutachten.

Schon seit Jahren legt man Wert auf Internationalität

Doch von solchen Rechtsaußen-Gruppierungen distanziert sich Helmut Jung, der "Altherren-Vorsitzende" des Corps Germania Hohenheim. Mitgliedschaft nur für "Reinrassige"? "Das wäre bei uns absolut undenkbar", sagt er auf Nachfrage und verweist darauf, dass unter den "Füchsen", wie die Studenten genannt werden, auch ein Tunesier, ein Brasilianer und ein Türke seien. Schon seit Jahren lege man Wert auf Internationalität. Das betont auch der "Senior" der Corpsstudenten, Florian Schmitt. Die Satzung der 1871 als "geselliger Verein Gemüthlichkeit" in der Hohenheimer Garbe gegründeten Studentenverbindung habe von Anfang an Einschränkungen aufgrund von Konfession, Nationalität oder politischer Haltung ausgeschlossen. Und immerhin habe einer der ehemaligen Alten Herren durch sein Petitum erreicht, dass Hohenheim das Promotionsrecht zugestanden worden sei.

Rektor Liebig nutzte sein Grußwort nicht nur, um die Vorzüge der Uni herauszustellen, sondern gönnte sich im Blick auf den Festredner George Turner auch einen kleinen Seitenhieb zum Thema Verfasste Studentenschaft. Diese - und somit mehr Mitbestimmung - sei jüngst von Hohenheimer Studierenden eingefordert worden. Doch dieses Modell, das vom damaligen Asta-Vorsitzenden Winfried Kretschmann mitgeprägt wurde, gibt es in Baden-Württemberg seit 1977 nicht mehr, in Hohenheim hatte der damalige Präsident Turner dessen Auflösung mit Polizeigewalt durchgesetzt. Dem Corps Germania mit seiner erfolgreichen Allumni-Arbeit bescheinigte Liebig eine "geradezu vorbildliche Arbeit".

Pamme kam über das billige Zimmer zur Germania

Auch Bürgermeisterin Susanne Eisenmann hob die demokratischen Grundlagen des Corps hervor. "Man darf aber nicht in der Tradition verhaften", meinte sie. Im Blick auf den Ausschluss weiblicher Mitglieder sagte sie: "Es ist halt, wie es ist. Aber ohne uns geht es auch bei Ihnen nicht."

George Turner, ebenfalls Mitglied einer schlagenden Verbindung, bedauerte, dass den Verbindungen nicht nur der Nachwuchs ausgehe, sondern auch ihre Haltbarkeit zurückgehe. Er führte das unter anderem auf den zunehmenden Zeitdruck durch das Bachelorstudium und die Verbrauchermentalität vieler jungen Leute zurück. Diese suchten zwar das Erlebnis, scheuten aber die Verantwortung.

Philipp Pamme, der im zweiten Semester Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie studiert, räumte ein, er sei über das billige Zimmer zur Germania gekommen. 180 Euro warm für 28 Quadratmeter in einer schönen Villa. Jetzt ist er "Fuchs" und findet das Gemeinschaftsleben dort "mittlerweile ziemlich gut".