Nicht nur achtmal wurden im Atomkraftwerk Philippsburg Sicherheitsprüfungen nur vorgetäuscht. Insgesamt sind jetzt 24 Fälle von vorschriftswidrigem Verhalten ans Tageslicht gekommen. Die EnBW kontrolliert jetzt auch in Neckarwestheim und Obrigheim.

Philippsburg - Die Affäre um vorgetäuschte Sicherheitsprüfungen im Kernkraftwerk Philippsburg weitet sich aus: Inzwischen hat die Betreiberin der Anlage, die EnBW-Tochter EnKK, insgesamt 24 Fälle aufgedeckt, bei denen Kontrollen vorschriftswidrig erfolgt sind. Betroffen sind jetzt drei Mitarbeiter ein und derselben Fremdfirma. Der EnBW liegen keine Erkenntnisse vor, dass die drei „auch an den anderen Standorten der EnKK zum Einsatz kamen“. Das teilte das Unternehmen am Montag mit. Auch die Prüfprotokolle an anderen Standorte würden systematisch untersucht. „Bislang gibt es dort keine Hinweise auf Fälle von Fehlverhalten“.

 

Bislang bekannt waren acht Fälle von vorgetäuschten Sicherheitsprüfungen. Messeinrichtungen zur radiologischen Überwachung des zweiten Meilers in Philippsburg waren nicht kontrolliert, die Kontrolle im Protokoll aber sehr wohl festgehalten worden. Ein externer Mitarbeiter habe „mit Unterschrift bestätigt, die Prüfung jeweils selber durchgeführt zu haben“. In einem weiteren Fall ist der bereits abgeschaltete erste Reaktor betroffen. Auch dort wurde eine Prüfung protokolliert, die nie stattgefunden hatte.

In einen der neun Fälle war ein weiterer externer Mitarbeiter verwickelt. Er habe, so erklärte die EnBW, mit seiner Unterschrift bestätigt, dass sein Kollege und er die Prüfungen gemacht hätten, ohne dass dies wirklich passiert wäre. Trotz dieses Fehlverhaltens wäre „die Anlagenüberwachung möglich und der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet gewesen“, erklärt die EnBW.

Zur „umgehenden und umfassenden Aufarbeitung des Sachverhalts“ habe man eine Task Force gebildet. Diese habe 15 weitere Fälle von Fehlverhalten entdeckt. Dabei seien die Prüfungen zwar fachlich korrekt, aber zur falschen Zeit gemacht worden. Im Protokoll sei der Prüftermin dann hinfrisiert worden. Verantwortlich hierfür war neben den beiden anderen ein dritter Mitarbeiter des gleichen Teams. Dafür dass sich EnKK-Mitarbeiter falsch verhalten hätten, gebe es keine Anzeichen, so die EnBW.

Die EnBW hat jetzt ein Programm aufgelegt, „um zu belegen, dass es keine vergleichbaren Täuschungen bei anderen Prüfungen am Standort Philippsburg gibt“. Diese Untersuchungen würden auf die übrigen EnKK-Anlagen in Neckarwestheim und Obrigheim ausgeweitet. Bei Bekanntwerden der Vorfälle habe die EnBW „unverzüglich Sofortmaßnahmen gegen eine Wiederholung ergriffen“.

Dabei hätte das Unternehmen die Vorfälle gar nicht melden müssen. Wie der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagte, ist nach nationalem Recht die Vortäuschung einer Sicherheitsprüfung kein meldepflichtiges Ereignis. Menschliches Versagen, „auch bewusste Täuschungen aus Bequemlichkeit oder in krimineller Absicht“, sei formal eine interne Angelegenheit des Betreibers. Das müsse sich ändern. Untersteller fordert in einem Brief an die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Meldeverordnung „in diesem Punkt schnell zu ändern“.