Verspätete, überfüllte oder gar keine Züge sind für Bahn-Reisende ärgerlich. Das Land Baden-Württemberg sanktioniert den schlechten Service. Dafür muss die Bahn nun tief in die Tasche greifen.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn muss wegen schlechter Leistungen im Nahverkehr im vergangenen Jahr 11 Millionen Euro an das Land zahlen. „Das ist der höchste Wert, der in Baden-Württemberg je gegen ein Verkehrsunternehmen verhängt wurde“, teilte das Verkehrsministerium der dpa in Stuttgart mit. Mit dem Geld sollen die unbefriedigenden Zustände verbessert werden. „Das ist eine stattliche Summe, die uns aber nicht freut“, betonte Ressortchef Winfried Hermann (Grüne). „Sie ist Preis der Schlechtleistung.“

 

Der Fahrgastbeirat des Verkehrsministeriums kann den Abwärtstrend bestätigen. Seit Herbst 2016 registriert die Lobby für die Millionen Kunden des Nahverkehrs im Land hohe Ausfallraten von Zügen und große Verspätungen. Damals nämlich ist der sogenannte große Verkehrsvertrag ausgelaufen, der quasi das Monopol der Deutschen Bahn für Aufträge im Nahverkehr festgeschrieben hatte. „Für die Kunden war es völlig unverständlich, dass beim gleichen Betreiber plötzlich nichts mehr funktionierte“, sagt der Chef des Gremiums, Matthias Lieb. Hintergrund sei, dass die Bahn die Wartung ihrer Züge nur bis zum Auslaufen des großen Verkehrsvertrages geplant habe.

Pünktlichkeit im Schnitt bei 91,7 Prozent

Von Oktober 2016 an seien die Züge in die Werkstätten gekommen, erläutert Lieb. Außerdem habe die Bahn Probleme bei der Beschaffung barrierefreier Züge gehabt, die das Land als Besteller verlangt habe. „Da hat man nicht die Besten bekommen“, sagt Lieb. Die 20 Jahre alten Doppelstockwagen seien nicht mit den neueren Loks kompatibel. „Das hat die Bahn unterschätzt.“

Von 2003 bis 2012 waren laut Fahrgastverband im Schnitt die vertraglich festgelegten 94 Prozent aller Züge pünktlich. Seither gehe der Wert nach unten, seit 2016 massiv. Die Pünktlichkeit im Jahr 2017 (1. bis 50. Woche) habe im Schnitt nur bei 91,7 Prozent gelegen. Als pünktlich gelten Züge noch, wenn sie fünf Minuten und 59 Sekunden vom Fahrplan abweichen. In dem Zeitraum seien 1,1 Prozent der Züge ganz ausgefallen. „Vor ein paar Jahren lag dieser Anteil noch deutlich unter einem Prozent“, sagte Lieb.

Bei der Bahn habe überdies der Verlust der Stuttgarter Netze an ausländische Konkurrenten im von Minister Hermann forcierten Wettbewerb zu Personalproblemen geführt. „Viele Lokführer gehen zur Stuttgarter S-Bahn oder orientieren sich in andere Bundesländer“, sagt Lieb, der auch Landeschef des Verkehrsclubs Deutschland ist.

Kündigung der Verträge kommt nicht in Frage

Die Qualität der Leistungen des Konzerns ist laut Ministerium in vielen Bereichen zwar vergleichbar mit anderen Bundesländern. Allerdings gebe es im Südwesten „Brennpunkte“ wie die Frankenbahn mit personalbedingten Ausfällen, die Bodenseegürtelbahn mit zu kurzem Zügen und die Filstalbahn mit Verspätungen. Für betroffene Kunden verlangt der Fahrgastbeirat ein einfacheres Entschädigungssystem. Das Verkehrsministerium hat nach eigenen Angaben Entschädigungen gefordert, mit denen die Bahn die Kunden auch bedacht habe.

Für den Verkehrsminister kommt eine Kündigung der Verträge derzeit aber nicht in Frage. Zwar könne bei dauerhaft sehr schlechten Leistungen ein Verkehrsvertrag nach zweimaliger Abmahnung gekündigt werden. Allerdings sei das nur sinnvoll, wenn ein anderes Verkehrsunternehmen über die nötigen Fahrzeuge und Personal verfüge und eine bessere Qualität erwarten lasse, heißt es im Ministerium. Das ist wohl derzeit nicht der Fall. Das Ressort gibt als Ziel an, mit der Deutschen Bahn im Regionalverkehr an einem Strang zu ziehen, um die Betriebsqualität zu verbessern.