Schlecker-Fall in Böblingen „Die Täter standen vor ihrem Bett, während sie schliefen“
Im Böblinger Kriminalmuseum werden die Spuren berüchtigter Verbrechen lebendig – darunter auch die der spektakulären Schlecker-Entführung von 1987.
Im Böblinger Kriminalmuseum werden die Spuren berüchtigter Verbrechen lebendig – darunter auch die der spektakulären Schlecker-Entführung von 1987.
Es ist der 23. Dezember 1987. In Ehningen an der Donau bereiten sich die Menschen auf Weihnachten vor. An diesem Abend dringen drei bewaffnete Männer in die Villa des damaligen Drogerie-Unternehmers Anton Schlecker ein. Sie fesseln die Eltern und entführen die beiden Kinder Meike und Lars, zu diesem Zeitpunkt 14 und 16 Jahre alt. Damit beginnt einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Bundesrepublik.
Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, wird dieser Fall im Kriminalmuseum Böblingen ausgestellt. Die Sammlung im Wildermuth-Areal ist nicht für die Öffentlichkeit gedacht, sondern für die Fortbildung von Polizisten und Einsatzkräften. Zusammengetragen wurden sie von dem pensionierten Kriminalkommissar Rolf Fauser – der selbst Teil der Ermittlungsgruppe war.
Anton Schlecker handelte die Entführer damals von 18 auf 9,6 Millionen Mark Lösegeld herunter – genau diesen Betrag, so berichteten Zeitungen, hatte Schlecker versichert. Mit dem Geld verschwanden die Täter spurlos.
Erst elf Jahre später kam wieder Bewegung in den Fall. Nachts standen plötzlich maskierte Männer im Schlafzimmer des Direktors der Volksbahn Ehningen, erzwangen Millionen. Es waren dieselben Täter, die auch die Schlecker-Kinder entführt hatten, wie sich später herausstellen sollte. „Denen ist damals das Geld ausgegangen“, sagt Fauser heute.
„Vor der Tat sind sie bereits mitten in der Nacht in die Wohnung des Bankdirektors und seiner Frau eingebrochen, um sie vorab auszukundschaften, ohne dass jemand etwas gemerkt hat. Die Täter standen vor ihrem Bett, während sie schliefen.“ Eine Woche später schlugen die Entführer dann zu: Sie überwältigten die Frau, brachten den Bankdirektor zur Bank und banden ihn auf einem Hochstand bei Ulm fest.
Die Täter gingen dabei laut Fauser extrem professionell vor. Nach der Tat wechselten sie ihre Namen und verschafften sich neue Papiere. Diesmal jedoch war einem von ihnen ein Fehler unterlaufen: Er hatte die Familie des Bankangestellten von einer Telefonzelle aus kontaktiert, um ihnen den Aufenthaltsort der Geisel mitzuteilen – und anschließend von derselben Telefonzelle aus seine Freundin angerufen.
Die Polizei konnte den Anruf zurückverfolgen und kam so an die Telefonnummer der Freundin des Entführers. Die Ermittler arrangierten ein Treffen in einem Restaurant in Mannheim. „Wir haben die Pizzeria verwanzt. Und wir hatten Glück: Tatsächlich wurde dort über die Entführung des Bankdirektors gesprochen. Dann haben wir zugeschlagen“, erinnert sich Fauser, der bei der Festnahme dabei war. Im Restaurant fanden die Einsatzkräfte einen Geldkoffer mit etwa einer Million Mark – obendrauf lag eine Handgranate. Glücklicherweise schlug das LKA zu, bevor diese gezündet werden konnte.
Bei späteren Vernehmungen gestanden die Täter dann auch die Entführung der Schlecker-Kinder. Auch andere Verbrechen, einige davon aus den 70er-Jahren, konnten den Entführern zugeordnet werden. Einer ist mittlerweile tot, die beiden anderen haben ihre Strafen abgesessen.
Im Kriminalmuseum Böblingen wird der Fall heute anschaulich dokumentiert. Die Besucher können nachvollziehen, wie die Ermittler den Tätern Schritt für Schritt auf die Spur kamen. Auch ein Dankesschreiben für Fausers Arbeit in der Sonderkommission ist dort ausgestellt.
Museum
Das Kriminalmuseum in Böblingen ist seit 2022 eröffnet, ist für die Öffentlichkeit allerdings nicht zugänglich. Der Kriminalkommissar Rolf Fauser hat es aufgebaut. Durch das Kriminalmuseum sollen anhand ausgewählter Exponate reale Einblicke in die Kriminalitätsentwicklung, Kriminalitätsprävention und die Verbrechensbekämpfung ermöglicht werden. Die Bilder von Todesdarstellungen sind Lehrinhalte zum Thema Todesermittlungen für die kriminal-polizeiliche Fortbildung.
Serie
In einer Serie beleuchten wir spektakuläre Kriminalfälle aus ganz Deutschland, die Eingang in die Sammlung in Böblingen gefunden haben.