Die Zitterpartie für die Schlecker-Mitarbeiter dauert an. Die Landesregierung hat sich verrannt, kommentiert StZ-Redakteur Roland Pichler.

Stuttgart - Schlecker-Mitarbeiter gehören wahrlich nicht zu den begüterten Beschäftigten in dieser Republik. Über viele Jahre hinweg machte die Drogeriemarktkette wegen niedriger Löhne und schlechter Arbeitsbedingungen Schlagzeilen. Schon deshalb fällt Politikern Sympathie zu, die den Hauptleidtragenden der Unternehmenspleite helfen wollen. Der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid hat die Zukunft der Schlecker-Mitarbeiterinnen von Anfang an zu seinem Thema gemacht. Das ist nicht zu kritisieren. Zuerst wurde Schmid mit der Bitte um Staatsbürgschaften beim Bund vorstellig, dann versuchte er, alle anderen Länder für staatliche Garantien zu gewinnen. Damit ist er bei einigen gescheitert, weil diese Länder berechtigte Bedenken haben. Jetzt versucht Schmid, in einem nächtlichen Kraftakt doch noch Unterstützer auf seine Seite zu ziehen. Baden-Württemberg würde freiwillig mehr bezahlen – das wäre absurd.

 

Die Landesregierung hat sich bei Schlecker verrannt. Ihr Plan ist von Anfang an fragwürdig gewesen: Die Länder sollen dafür Bürgschaften abgeben, dass Schlecker-Beschäftigte im jeweiligen Bundesland für ein halbes Jahr in einer Transfergesellschaft unterkommen. Dort werden sie beraten und qualifiziert. Doch die Beschäftigten könnten damit allenfalls Sicherheit für einen begrenzten Zeitraum erhalten. Dafür ist der Preis eindeutig zu hoch.

Die Versuchung von Politikern, sich als Retter von Arbeitsplätzen in Szene zu setzen, ist von jeher groß. Ob der frühere Kanzler Gerhard Schröder (SPD) bei Holzmann, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei Quelle oder der ehemalige NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) bei Opel – stets sind die Handlungsmuster dieselben. Politiker wollen ihren Ruf als fürsorgliche Landesväter festigen. Dabei sind die Erfahrungen immer gleich: Mit dem Einsatz von Steuergeld kann die Politik Zeit kaufen, mehr nicht. Das Versandhaus Quelle ist ebenso untergegangen wie der Baukonzern Holzmann.

Bei Schlecker liegt der Fall anders: Der Stuttgarter Finanzminister ist nicht so vermessen zu glauben, er könne Schlecker retten. Es geht ihm aber auch darum, mit einer Zwischenlösung für arbeitslose Verkäuferinnen das Unternehmen für Investoren interessant zu machen. Schmid muss sich fragen lassen, warum er Steuergelder aufs Spiel setzt. Für Schicksalsschläge wie die Arbeitslosigkeit gibt es ein bewährtes Instrumentarium der Arbeitsagentur. Darauf können alle Beteiligten zurückgreifen. Die betroffenen Verkäuferinnen fallen im Sozialstaat nicht ins Bodenlose.

Zu einfach macht es sich die Landespolitik, wenn sie den Bundeswirtschaftsminister und die Länder mit FDP-Beteiligung als Buhmänner brandmarkt. Diejenigen, die mit dem Scheck winken, sind nicht automatisch die Guten. Hehre Motive helfen bei Schlecker nicht weiter. An Bürgschaften müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Es geht dabei schließlich um das Geld der Steuerzahler. Dass Schlecker im Rampenlicht steht, verdankt die Kette allein ihrer Größe. Bei kleinen Einzelhändlern und Handwerksbetrieben, von denen jeden Tag viele dicht machen müssen, schaut der Wirtschaftsminister nicht vorbei. Zur Ordnungspolitik gehört die Gleichbehandlung. Nicht die Großunternehmen schaffen die meisten Arbeitsplätze, sondern der Mittelstand. Deshalb ist es falsch, die Großen ständig zu bevorzugen.

Die Politik hat selbst dazu beigetragen, dass Erwartungen an sie gewachsen sind. In der Wirtschaftskrise 2008/2009 wurden mit dem Deutschlandfonds und der Bankenrettung viele Milliarden Euro aufs Spiel gesetzt. Das kann kein dauerhaftes Konzept sein. Der Staat, der mit Interventionen Arbeitsplätze retten wollte, würde sich mit Sicherheit übernehmen. Abzulesen ist dies an der steigenden Staatsverschuldung.