Die ehemalige Konzernzentrale von Anton Schleckers Drogeriekette stand jahrelang leer. Inzwischen ist aus einem Mahnmal des Versagens ein Symbol für einen gelungenen Neuanfang geworden.

Ehingen - Wo einst Europas Drogeriemarkt-König thronte, ist das „S-Wort“ verpönt. „S für Schlecker? Über die Vergangenheit reden wir nicht“, sagt Professor Michael Gaßner. „Wir gestalten Zukunft.“ Gaßner ist einer der Geschäftsführer des Businessparks Ehingen Donau (BED). Der Riesenbau, in dessen Glasfassade sich die Hügellandschaft rings um Ehingen spiegelt, war der Stolz von Anton Schlecker. Von hier aus führte der gebürtige Ehinger sein Imperium mit europaweit rund 15 000 Filialen - bis es 2012 zusammenbrach.

 

Lange stand der Glaspalast so gut wie leer. Ein Mahnmal des Bankrotts, wegen dem Schlecker derzeit vor Gericht steht. Aus seiner einstigen Zentrale ist derweil das Symbol für einen gelungenen Neustart geworden.

Mieten wesentlich günstiger als in Stuttgart

Die mannshohen Lettern des Drogeriemarktlogos vor dem Eingang sind verschwunden. Dafür findet man in den Gängen etliche neue Firmenschilder: Industrielle Dienstleister haben sich hier angesiedelt, Marketingunternehmen, Ingenieurbüros, eine Zweigstelle der Arbeitsagentur, Anbieter von Sprach- und Integrationskursen, eine private Krankenversicherung, auch ein Fitnessstudio.

Drei Jahre nach der Schlecker-Pleite hatte die eigens gebildete BED GmbH - die Stadt Ehingen ist zu 51 Prozent beteiligt - den Glaspalast vom Insolvenzverwalter gekauft. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Branchenkenner gehen von einen vergleichsweise niedrigen Millionenbetrag aus, was wohl half, im BED ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bieten zu können. Moderne Büroräume mit superschnellen Internetverbindungen kosten kalt fünf Euro pro Quadratmeter und Monat - nicht einmal ein Drittel dessen, was im rund 70 Kilometer entfernten Stuttgart verlangt wird.

Der Flughafen Stuttgart ist nur eine Autostunde entfernt, der BED ist an den Regional- und Nahverkehr angebunden und bietet zudem ausreichend Parkplätze. Es gibt Konferenzräume, ein Kosmetikstudio und Gesundheitseinrichtungen, ein Restaurant ist im Entstehen. „Wie in Japan: Außer zum Schlafengehen muss man das Büro nicht mehr verlassen“, scherzt Gaßner.

50 Mieter auf 20.000 Quadratmetern

„Für uns war das wie ein Sechser im Lotto“, sagt Dierk Proppe, Geschäftsführer von Fundel und Kurtz. Die unter anderem auf Netzwerkelektronik sowie Ruf- und Schließsysteme spezialisierte Firma gehörte 2015 zu den ersten Mietern. „Inzwischen denken wir darüber nach, weitere Räume anzumieten“, erzählt Proppe.

Fast 80 Prozent der rund 20 000 Quadratmeter im BED sind an etwa 50 Mieter vergeben. Neuester Großmieter: Das weltweit tätige Unternehmen Uhlmann Pac-Systeme, das Maschinen zum Verpacken und Kartonieren von Arzneimitteln herstellt. Weil die Firma mit Hauptsitz im nahen Laupheim kräftig wächst, hat sie jetzt im BED 3000 Quadratmeter angemietet. Etwa 300 Uhlmann-Mitarbeiter sollen dort künftig ihren Arbeitsplatz haben.

Damit nähert sich das BED der Beschäftigtenzahl in der einstigen Schlecker-Zentrale von schätzungsweise 800 bis 1000 Menschen deutlich an. Auf dem Weg zur vollen Auslastung haben sich die Betreiber einiges einfallen lassen. Eine Gründeretage etwa samt „Innovation-Lab“ mit modernster IT-Ausstattung. Es soll Start-ups als Experimentierwiese dienen. Im neuen „Co-Working-Bereich“ kann man sich tage- oder auch nur stundenweise einmieten.

Ein paar Schlecker-Überbleibsel

Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann (CDU) sieht die Zukunft des Ex-Schlecker-Baus gesichert: „In einer Zeit großen Umbruchs, wie dem digitalen Wandel mit all seinen Herausforderungen und Chancen, vereint der Businesspark alles, was junge wie etablierte Firmen benötigen.“

Gänzlich haben die Betreiber die Vergangenheit aber nicht verbannt. Davon zeugen noch ein paar gerahmte Fotos von Zebras, Warzenschweinen, Giraffen und Löwen - Safari-Erinnerungen der Familie Schlecker. Früher gab es hier viel mehr davon. Einige, sagt BED-Geschäftsführer Gaßner, habe man hängen lassen, „weil sie doch einfach schön sind“.