Hier darf ein Bier noch Bier sein: Im Schlesinger bereitet man sich auf den Tag des deutschen Bieres vor. Weit mehr als hundert Bierkästen stapeln sich schon jetzt in der Kneipe nahe des Berliner Platzes.

Stuttgart - Auf manche Fragen gibt es nur ein Ja als Antwort. „Magst ein Bier?“ gehört dazu. Vielleicht nicht immer, aber zumindest immer dann, wenn sie aus dem Mund von Martin „Nolde“ Arnold kommt. Gemeinsam mit Heribert „Heri“ Meiers betreibt er seit über 20 Jahren das Schlesinger nahe des Berliner Platzes. Zwar mag die Kneipe nach einem Topfreiniger benannt sein. Alles andere steht hier aber ganz im Zeichen des Gerstensafts. Das sieht man zum Beispiel daran, dass der Laden noch nicht geöffnet ist, der Zapfhahn aber schon.

 

2600 Flaschen

Das Schlesinger ist ein Ort, an dem Bier noch ernst genommen wird. An dem Bier noch Bier sein darf – und nicht etwa ein Modeprodukt „für das man jetzt schon Vollbart und Holzfällerhemd“ braucht, wie Arnold charmant frotzelt. Hierher kommt man, um Bier zu trinken, Fußball zu schauen und gute, wahrhaft hausgemachte Kneipenküche von hoher Qualität zu essen. Und nicht, um eine Pseudowissenschaft aus allem zu machen.

Einmal im Jahr wird diese Fixierung auf Bier besonders deutlich. Beim Tag des deutschen Bieres, der im Schlesinger fast so lang begangen wird wie es die Gaststätte gibt. Und das nicht etwa irgendwie. Weit mehr als 100 Bierkästen stapeln sich schon jetzt im Schlesinger, Flasche für Flasche durchnummeriert. „Die letzten zwei Wochen haben wir damit verbracht, die Liste anzufertigen und die Flaschen zu etikettieren. 2600 Flaschen – und ich habe jede einzelne in der Hand gehabt“, hebt Meier stolz einen Finger in die Luft, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. Am Samstag, den 22. April (diesmal wird also in den Biertag hineingefeiert) liegen dann wieder die ellenlangen Listen aus, bestellt wird an der Theke über Nummern, nicht über Namen.

Detektive mit Bierdurst

Wie das ganze Bier ins Schlesinger kommt, ist eine Geschichte für sich. Durch ganz Deutschland fahren die beiden Chefs, karren aus den entlegensten Winkeln der BRD (Bierrepublik Deutschland) hopfige Fundstücke zusammen. „Wir legen im Vorfeld ein Gebiet fest und schauen dann, welche Brauereien es in der Gegend gibt“, so Meiers. „Mittlerweile gibt es einfach kein größeres Gebiet, in dem wir noch nicht waren, also sind wir dieses Jahr in die Rhön aufgebrochen, wo es einige kleine Brauereien gibt.“ Seit 17 Jahren kurven die Bierliebhaber landauf, landab, steuern bevorzugt die kleinen Brauereien an, die immer schon Craft Beer gemacht haben ohne es zu wissen und bevor man es so genannt hat. „Vor 17 Jahren war es noch regelrechte Detektivarbeit, kleine Brauereien aufzutreiben“, fährt Meiers fort. „Mit Internet und so weiter war da noch nicht viel zu holen. Wir waren mit Landkarten in den letzten Käffern unterwegs, fragten uns bei einer Brauerei zur nächsten durch.“

Craft Beer before it was cool. So könnte man das in etwa sagen. „Dieser Craft-Kram wirkt oft aufgesetzt“, gibt Meiers zu. Gleich darauf fügt er ehrlich an: „Natürlich sind wir auch neidisch, weil wir das schon so lange machen, aber dennoch nur über die anderen geredet wird. Aber dann denke ich mir wieder, dass es bei uns ums Bier geht. Und nicht um einen Trend.“ Den bekommt das Schlesinger dennoch zu spüren. Arnold: „Irgendwann begannen wir damit, die Reste vom Tag des deutschen Bieres in einen separaten Kühlschrank zu stellen. Heute stehen schon zwei da, mttlerweile schauen viele unserer Gäste zuerst, was es dort so gibt.“ Auch ohne einen besonderen Tag haben sie so 50 verschiedene Biere im Angebot.

Um den Schornstein

Vom Fass kommt, und das mag vielen Craft-Beer-Jüngern nicht passen, allerdings Stuttgarter Hofbräu in die Gläser. Großbrauerei, Industrie, Fernsehbier! Für die beiden Chefs ist das kein Widerspruch zu ihrer Bierliebe: „Mir schmeckt es!“, betont Meiers und sein Kollege nickt. „Wir schenken seit 1986 Hofbräu aus und sind eben treue Seelen.“

Das sind die Gäste auch. Beim Tag des deutschen Bieres treffen sie sich alle, die Stammkunden und Tresenhocker, trinken und denken sich immer neue Spiele aus, um die schiere Auswahl zu bezwingen. Bierfans unter sich eben. „Wir sind halt schon sehr bieraffin“, nickt Meiers. „Bei mir fing das im Urlaub an. Egal wo ich war, ich wollte immer ein lokales Bier probieren oder mit nach Hause nehmen. Das Spannende war: Jedes Bier hat anders geschmeckt.“

Die größte Eierlikör-Auswahl in Stuttgart

Die jahrelange Erfahrung hat die beiden durchaus auch ein wenig altersmilde gemacht. „Ich bin tolerant genug, um zu sagen, dass jeder trinken soll, was ihm schmeckt“, sagt Arnold zum Beispiel. Und gibt zu bedenken, dass es bei Craft Beer ähnlich ist wie bei Bio-Lebensmitteln. Vielleicht muss man nicht unbedingt ein amerikanisches IPA trinken, wenn man eine kleine regionale Brauerei in der Gegend hat – allein aus ökologischer Sicht. „Die unterstützen, die nur um den Schornstein herum verkaufen“, sagt Meiers dazu.

Wer sich nicht zum Tag des deutschen Bieres unters durstige Volk mischen will, kann das natürlich auch ein andermal tun. Und dann vielleicht live bei der Geburt des nächsten Getränketrends dabei sein. „Wir haben die wahrscheinlich größte Eierlikör-Auswahl in Stuttgart“, meint Arnold mit einem entwaffnenden Lächeln. „Acht an der Zahl, serviert im eisgekühlten Schokobecher.“ Craft-Eierlikör? Es gab schon haarsträubendere Trends.