Die SPD ist enttäuscht und hofft auf eine Dänenampel. Die CDU sieht sich als Sieger und hat doch mit der FDP die Macht verloren. Die Gewinner sind Grüne und Piraten.

Kiel - Heide Simonis – elegant gekleidet – ist als eine der ersten prominenten Sozialdemokraten ins Landeshaus von Kiel schon früh am Nachmittag gekommen. Und sie hat da schon eines deutlich ausgesprochen, fast wie ein Menetekel: Natürlich könne die SPD mit einer knappen Mehrheit gut regieren, sie selbst habe fünf Jahre lang mit nur einer Stimme Mehrheit regiert. Bis die Wiederwahl anstand. Über das letzte Kapitel ihrer Amtszeit spricht Simonis  heute nicht so gerne. Es war der 17.  März 2005, als ihr ein unbekanntes  Mitglied aus dem ausgemachten  Bündnis von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverbund (SSW), der Partei der dänischen Minderheit, die Gefolgschaft versagte und sie auch im vierten Wahlgang nicht zur Ministerpräsidentin wählte. Der „Heide-Mörder“ ist bis heute unbekannt, aber der Vorgang hängt wie ein Trauma über der sogenannten Dänenampel, auf die es in Schleswig-Holstein nach Analyse der Hochrechnungen hinauslaufen könnte. Und zwar wieder nur mit einer Stimme Mehrheit.

 

Die SPD ist über ihr Abschneiden schwer enttäuscht

Die Enttäuschung bei den Sozialdemokraten über das magere Abschneiden ist immens. Das sei „unerklärlich“, heißt es allenthalben bei Klops und Flensburger Bier im SPD-Saal. Viele machen die „Anti-Dänen-Kampagne“ der CDU für das im Vergleich zu den Umfragen schlechte Abschneiden ihres Spitzenkandidaten Torsten Albig verantwortlich. Eine Umfrage hat ergeben, dass 60 Prozent der Bevölkerung sich nicht von „Dänen“ regieren lassen wollen. Möglich ist, dass die vorab schon geplante Koalitionsregierung von SPD, Grünen und SSW viele Wähler zur CDU gezogen hat. „Aber was heißt denn hier Dänen?“, empört sich ein gestandener Sozialdemokrat am Biertisch: „Das sind deutsche Staatsangehörige mit einem dänischen Hintergrund.“

Mit Bravorufen wird Torsten Albig empfangen, und er macht aus seiner Enttäuschung kein Hehl: „Das ist nicht das Ergebnis, das ich euch versprochen habe, aber auch nicht das, was ich draußen im Wahlkampf erlebt habe.“ Immerhin kann Albig noch auf seine „Schleswig-Holstein-Ampel“, wie er die Dänenampel umschreibt, zählen, und er kann den Politikwechsel feiern. Denn Schwarz-Gelb, so viel steht fest, ist nach zweieinhalb Jahren in Kiel abgewählt. „Wir werden auch mit einer Einstimmenmehrheit gut fünf Jahre lang regieren“, ruft Albig in die Menge. Da ist er wieder, der Schatten des 17. März 2005.

Obwohl sie die Verlierer sind, feiern CDU und FDP

CDU und FDP haben die Macht verloren, umso kurioser ist es, dass bei ihnen am lautesten gefeiert wird. „Wir können stolz sein, wir sind die stärkste Kraft“, jubiliert der CDU-Spitzenmann Jost de Jager in seinem überfüllten Saal. Er dankt vor allem der Jungen Union für ihren engagierten Wahlkampf, und ein junger Christdemokrat aus Kiel bemerkt, dass man wirklich „nächtelang“ für den zunächst als farblos titulierten de Jager plakatiert habe: „Die Leute haben gemerkt, er hat einen sympathischen Charakter und er ist geradlinig.“ Bei der CDU erkennt man an, dass de Jager aus einer „unglücklichen Ausgangslage“ das Beste gemacht habe: Der Kandidat, der kurzfristig einspringen musste, sei unbekannt gewesen, und er habe harte Einschnitte der Regierung im Sozialbereich vertreten müssen. Mit wem de Jager als Koalitionspartner regieren will, das steht in den Sternen: Aus seiner Sicht wäre eine Jamaikakoalition machbar – CDU, Grüne, FDP, wie sie kurzzeitig im Saarland existiert hatte. Auch eine Große Koalition wäre denkbar, doch so recht glaubt daran keiner: „Haben Sie eigentlich einen Job für de Jager?“, fragt ein Christdemokrat den Pressevertreter witzelnd, denn de Jager ist ja Journalist von Beruf.

Die Koalitionsverhandlung werden dauern

In der Tat wird die CDU sich schwertun bei der Partnersuche. Nach den negativen Erfahrungen mit Peter Harry Carstensen, der den „Roten Rambo“ Ralf Stegner 2009 aus dem Kabinett feuerte, sei eine Große Koalition nicht denkbar, heißt es bei der SPD. Und irgendwo im Gängedschungel des ziegelroten Landeshauses lehnt der grüne Spitzenmann Robert Habeck, zwischen zwei Interviewterminen ausruhend, an einer Säule: „Jamaika? Nein, das geht gar nicht“, sagt er mit fester Stimme. Man werde nicht einer abgewählten Schwarz-Gelb-Regierung wieder an die Macht verhelfen. „Die CDU hat eine Dreckskampagne gegen uns und die Dänen geführt, da haben wir Volley zurückgegeben.“ Aber der cowboybestiefelte Literat, das war klar, wird kein einfacher Koalitionspartner. Den Zugewinn seiner Partei führt Habeck nicht auf seine lockere Literatenpersönlichkeit zurück, sondern erklärt er so: „Wir haben uns hochgekämpft, wir haben inhaltlich gearbeitet gegen eine Entpolitisierung durch die SPD und die Piratenpartei.“ So ein Pfeil sitzt im Fleisch des möglichen Koalitionspartners SPD, dem in der Tat einige einen „inhaltsleeren“ Show-Wahlkampf vorwerfen.

Alles deutet auf lange Koalitionsverhandlungen hin. Am unkompliziertesten gebart sich der SSW. Dort freut man sich über leichte Wählergewinne, man ist bereit für eine Regierungsbeteiligung und schnackt fröhlich Dänisch in den Büros. Aber Triumphgefühle kommen nicht auf. Nein, sagt Anke Spoorendonk, die 64-jährige Parteichefin, sie selbst habe keine Ambition auf ein Ministeramt, die Partei werde über die Position beraten.

Wolfgang Kubicki feiert das Signal der acht Prozent

Das Triumphgeheul hört man anderswo. Beim Auftritt von Wolfgang Kubicki (FDP) etwa, der genüsslich schildert, wie er vor Wochen einer Runde von Chefredakteuren erzählte, man werde sechs bis neun Prozent schaffen: „Die haben mir in einer arroganten, überheblichen Art geantwortet!“ Kubicki hat recht behalten. Dass er in Kiel von der Macht verdrängt wurde, ficht den FDP-Fraktionschef wenig an. Das bundesweite Signal – gute Liberale schaffen die Fünfprozentmarke – ist ihm wichtiger.

Weit entfernt im Kulturhaus Pumpe feierten die Piraten. Dass man sie zu Koalitionsgesprächen bittet, halten weder sie noch SPD und CDU für möglich. „Die sind nicht politikfähig“, heißt es. Angesichts der knappen Mehrheit für die Dänenampel könnte in Kiel eine Zitterpartie à la Simonis zum Dauerzustand werden.