Das Busunternehmen Schlienz in Kernen begegnet dem Fachkräftemangel unter anderem mit Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. 39 verschiedene Nationen in ein Unternehmen zu integrieren, ist freilich nicht die einzige Herausforderung.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Erhard Kiesel muss man das Potenzial, das seit knapp einem Jahr vom zuständigen Bundesministerium als Job-Turbo zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten propagiert wird, nicht schmackhaft machen. Der Geschäftsführer des Bus- und Reiseunternehmens mit Hauptsitz in Kernen setzt längst auf eine multikulturelle Belegschaft. Die gut 800 Mitarbeiter des 1923 als Fischle & Schlienz gegründeten Unternehmens stammen aus 39 verschiedenen Nationen.

 

Erheblicher Fachkräftemangel

Natürlich agiere man aus einer gewissen Not heraus, räumt der Herr über mehr als 100 Omnibusse und diverse andere Transportfahrzeuge in einem Gespräch mit Vertretern der Waiblinger Arbeitsagentur und der Backnanger Bundestagsabgeordneten Ricarda Lang (Grüne) ein. Denn trotz, wie Kiesel betont, attraktiver Arbeitsplätze und einer zumindest in Baden-Württemberg auskömmlichen Bezahlung leide die Branche unter einem erheblichen Fachkräftemangel. Man müsse sich einiges einfallen lassen, um offene Stellen kompetent besetzt zu bekommen.

Eine Rekrutierungsschiene sind Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. 2016, nach der großen Flüchtlingswelle, habe man rund 30 Serben in das Unternehmen integriert und dabei erstmals begonnen, einen eigenen Deutschunterricht auf die Beine zu stellen, sagt Kiesel. Zudem habe man sich ein gewisses Netzwerk aufgebaut, um in Sachen Wohnraum zumindest Erste Hilfe leisten zu können. Denn das sei ein entscheidendes Kriterium, um Menschen einen Job im Unternehmen schmackhaft zu machen.

Ein Musterbeispiel dafür, wie es gehen kann

Schlienz sei ein Unternehmen, bei dem die gemeinsamen Bemühungen um die Vermittlung von Arbeitskräften hervorragend funktionierten, ein „Musterbeispiel dafür, wie es gehen kann“, lobt denn auch der Geschäftsführer des Jobcenters Rems-Murr, Karsten Bühl. Ralf Steeg, operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur Waiblingen, sieht aber durchaus auch generell bei der Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen eine positive Entwicklung. Das von der Bundesregierung im Oktober vergangenen Jahres ins Leben gerufene Programm Job-Turbo trage zunehmend dazu bei, den Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland zu mildern. Denn dieser sei trotz Konjunkturflaute nach wie vor evident und werde aufgrund der weiteren demografischen Entwicklung auch so schnell nicht gelöst werden können: „Fakt ist: Der Arbeitsmarkt braucht nach wie vor Fach- und Arbeitskräfte, und auch in den kommenden Jahren werden ihn viele derzeit Beschäftigte verlassen.“

Doch die Bemühungen, dem Mangel an qualifiziertem Personal zu begegnen und dabei auch Menschen mit unterschiedlichen Grundhaltungen und kulturellen Gepflogenheiten zu integrieren, sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen Unternehmer wie Erhard Kiesel zu kämpfen haben. So ist denn auch eine dringende Bitte an die Bundestagsabgeordnete, die erst unlängst als Vorsitzende ihrer Partei zurückgetreten ist, sich für einen raschen Bürokratieabbau einzusetzen. In der Busbranche sei ein Wust an (unnötigen) Vorschriften und Auflagen, insbesondere bei Ausschreibungen, weit verbreitet, sagt Erhard Kiesel: „Einer unserer Mitarbeiter tut nichts anderes mehr, als sich damit zu beschäftigen.“

Elektro- oder Wasserstoffbus?

Apropos Ausschreibung. Schlienz-Tours ist nach Angaben von Kiesel das erste Busunternehmen im Kreis gewesen, das sich einen Elektrobus angeschafft und die nötige Ladestruktur aufgebaut habe. Man fühle sich durchaus auch der Energiewende verpflichtet. Nun aber habe der Kreis die Neuvergabe zweier Linienbündel mit der Auflage verbunden, diese mit Wasserstoff antreiben zu lassen. „Worin sollen wir denn jetzt investieren?“, fragt Kiesel, der sich erst einmal für die andere Richtung entschieden hat, seine Fahrzeugflotte „sauberer“ zu gestalten.

Zudem mache die aktuelle Ausschreibungspraxis in kürzester Zeit enorme Investitionen nötig. Früher habe man jedes Jahr fünf neue Busse angeschafft und so den Fuhrpark regelmäßig und sukzessive erneuert. „Heute brauche ich 40 Busse auf einen Schlag – und zwar dann, wenn die Ausschreibung stattfindet.“

Mehr Anerkennung für Busfahrer

Ricarda Lang hat sich alles geduldig angehört und versprochen, die Sorgen und Nöte in ihre Fraktion zu tragen. Dazu gehört auch der Wunsch, die Arbeit der Beschäftigten in Busunternehmen besser anzuerkennen. Denn eins müsse laut Erhard Kiesel der Politik auch klar sein: „Ohne diese Menschen werden der ÖPNV und die Schülerbeförderung nicht mehr funktionieren.“