Die Bäckerei Klinsmann in Stuttgart-Botnang, die einen der berühmtesten Söhne der Stadt hervorgebracht hat, schließt. Den Stammgästen wird sie vor allem wegen des Sommermärchens 2006 in Erinnerung bleiben. Sie haben einige Anekdoten zu erzählen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Die Bäckerei Klinsmann hat eigentlich noch Mittagspause, da bildet sich schon eine kleine Schlange an der Eltinger Straße in Stuttgart-Botnang. Geschenkt, dass es regnet, die Abwicklung wegen der Corona-Krise ein bisschen länger dauert als sonst und der Umgang aufgrund von Masken und baulichen Infektionsschutzmaßnahmen distanzierter als üblich ist. Dieter Wannenmacher stört das nicht. Der 70-Jährige lebt seit 1998 im Ort und hält seiner Bäckerei die Treue, die wohl im Juni schließen wird. Zu Berühmtheit hat es die Stube vor allem wegen eines der Kinder gebracht, die hier ihre Lehre absolviert hatten: Jürgen Klinsmann.

 

Deswegen ist Wannenmacher aber nicht hier. „Die Brötchen, die man hier samstags kauft, kann man am Montag noch essen“, sagt er. Stammkunden wie er erzählen von unterschiedlichen Gerüchten, warum die Traditionsbäckerei aufgibt – sicher weiß es aber niemand. Einer junge Frau hinterm Bäckereitresen, die sich als Familienmitglied zu erkennen gibt, ist auch nichts zu entlocken: „Wir haben schlechte Erfahrung mit der Presse gemacht.“

Inhalt der Tüten 2006 zweitrangig

Vielleicht spricht sie vom Jahr 2006, als Deutschland die Fußball-WM ausgerichtet hatte, Klinsmann Nationaltrainer war und in Botnang um die Bäckerei Ausnahmezustand herrschte. Die Klinsmanns wurden damals von Touristen und Journalisten belauert. Dieter Wannenmacher erinnert sich noch gut. „Alles war vollgeparkt. Viele kamen zur WM nur wegen der Klinsmann-Tüte.“ Der Inhalt war zweitrangig. Manche seien nur deswegen extra von der Autobahn runtergefahren.

Die Familie, die dem Vernehmen nach auf ihren berühmten Sohn angesprochen sehr zurückhaltend reagiert, ist mit der Fußball-Legende untrennbar verbunden. „Unterm Tisch hat die Mutter auch Autogramme des Sohnes rausgerückt“, sagt Wannenmacher. Und der prägte das Bild auch noch nach seinem Ausflug ins Backhandwerk mit, „in seinem VW-Golf“, mit dem der einstige VfB-Profi laut ihm immer vorfuhr.

Auch der nächste in der Schlange, Helmut Laub, 73, verbindet viele Erinnerungen mit der Bäckerei. „Sie ist wichtig für Botnang“, sagt er. Systembäckereien kann er nicht viel abgewinnen, dass jetzt Schluss sein soll, findet er „sehr bedauerlich.“

Blonder Bub half beim Brotverladen

Denn ganz gewiss ist noch nicht, dass die Bäckerei wirklich für immer schließt. In einem früheren Statement hatte die Bäckerei immerhin verraten, dass die endgültige Entscheidung über die Zukunft noch nicht gefallen sei. Am Samstag und am Montag hat die Bäckerei Klinsmann schon seit einer Weile nicht mehr offen. Ein Erdbeerverkäufer einige Häuser weiter wundert sich darüber und mutmaßt, dass es darum schon länger Probleme geben könnte.

An der unweiten Stadtbahnhaltestelle Botnang werkelt derweil der 65-jährige Peter Conrad am Fahrkartenautomaten herum. Er ist hier mit der Bäckerei aufgewachsen. „Vor allem die guten Brezeln habe ich hier gemocht“, sagt er. In jungen Jahren habe ihm hier ein kleiner blonder Bub dabei geholfen, das Brot einzuladen. In Berlin, wo Conrad heute seinen Hauptwohnsitz hat, sei Jürgen Klinsmann dieser Tage nicht mehr so beliebt. „Bei der Hertha behält man ihn in weniger guter Erinnerung“, sagt Conrad. Der Berliner Fußball-Erstligist und Ex-Trainer Klinsmann trennten sich zu Beginn des Jahres frostig und unter eher unglücklichen Umständen. Die Botnanger trennen sich von ihrer Bäckerei dagegen mit einem Tränchen im Auge.