Wollen wir uns das noch leisten? Das fragen sich Ludwigsburger Stadträte, wenn es um den 800 000-Euro-Zuschuss für die Schlossfestspiele geht.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

„Ich würde sehr gern wissen: Welche Veranstaltungen haben Sie selbst besucht? Sie sprechen sehr viel davon, was andere Ihnen erzählt haben. Aber welche persönlichen Erfahrungen haben Sie vor Ort gemacht?“ Die Frage, die Jochen Sandig, Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, im Bildungsausschuss mit einiger Verwunderung an die Freie-Wähler-Stadträtin Gabriele Moersch stellt, hat eine Vorgeschichte: Der Ausschuss soll dem seit Jahren gewährten Zuschuss von 800 000 Euro für die Festspiele auch für 2023 zustimmen. Gibt die Stadt den Zuschuss nicht, gibt ihn auch das Land nicht – wegen der Komplementärfinanzierung des Festivals steuert das Land so viel Geld bei, wie die Stadt locker macht. Doch im Gremium rumort es, der Zuschuss steht auf der Kippe.

 

Jochen Sandig und seine Intendanz-Kollegin Gabriele Zerweck wissen streckenweise wohl kaum, wie ihnen geschieht: Nachdem sie Teile des Programms 2023 vorgestellt haben, das der Aufsichtsrat der Festspiele bereits gutgeheißen hat, prasseln Bedenken auf sie nieder. Nur die Grünen begegnen dem Intendanten-Duo mit Euphorie: Elfriede Steinwand dankt dem Festspiel-Team für einen „Riesenkraftakt, nachdem die Pandemie alles zerschlagen hat“, sie lobt die Ausblicke aufs neue Programm und antwortet sich auf die Frage „Kann man sich das noch leisten?“ selbst: „Ja, das muss man sich noch leisten, Corona hat schon genug vernichtet.“

„Nice to have, aber generiert keinen Umsatz“

Die CDU hingegen lehnt die Gewährung des Zuschusses rundweg ab. Dass die Festspiele zum Beispiel zwölfmal die „Freiluftspiele“ auf dem Marktplatz anbieten will – kostenlose freitagabendliche, halbstündige Open-air-Auftritte – prangert Gabriele Seyfang an: „Nice to have, aber generiert keinen Umsatz.“ Sandig entgegnet, dieses Format habe viel Zuspruch erfahren, Gespräche und Begegnungen ermöglicht und neue Menschen auf die Festspiele aufmerksam gemacht. Die Künstler, die dort aufträten, seien eh da – für Konzerte an den jeweiligen Wochenenden.

Dass den Festspiel-Machern solche Formate vorgeworfen werden, ist erstaunlich angesichts der gleichzeitigen Forderung, die Festspiele sollten bürgernäher werden – „weicher, geschmeidiger, leichter, zugänglicher, nicht so sperrig“, wie es die FW-Stadträtin Gabriele Moersch ausdrückt. „Das Programm muss dem Publikum schmecken“, sagt sie, „ich habe immer wieder Kritik gehört: zu schwierig, zu außergewöhnlich, zu anspruchsvoll, zu elitär.“ Johann Heer (FDP) findet das Programm gar „esoterisch“ und sagt: „Man braucht nicht nur Lamborghinis und Porsches, reicht nicht auch ein VW?“

Die Kosten sind gestiegen, der Zuschuss ist gleich geblieben

Sandig ist bestürzt. Er fragt die Stadträte, ob sie denn nicht die erfüllten Seelen in vielen Konzertabenden selbst erlebt hätten. Elitär, für einen abgehobenen Zirkel, wolle man gerade nicht sein. Gerade deswegen hätten die Schlossfestspiele ja unter anderem Vermittlungs- und Education-Projekte implementiert, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen eingebaut und mit Formaten wie „Generation Zukunft Musik“ oder „Mini Mal Mut“ jungen Leuten die Möglichkeit des Hineinschnupperns geboten. „Und dass wir für Menschen in Ausbildung Karten für 15 Euro in allen Veranstaltungen anbieten, auch im Vorverkauf, das gibt es sonst nirgends.“ Sandig betont auch, dass die Kosten, etwa fürs Forum, exorbitant gestiegen, der Zuschuss aber gleichgeblieben sei.

Hubertus von Stackelberg (SPD), selbst Musiker, spricht von einem Dilemma: „Es steht unserem Ausschuss nicht zu, an Ihrem künstlerischen Programm rumzumachen. Aber mit den Besucherzahlen ist es ein ständiges Bergab. Die Leute fangen an zu vergleichen: Was bieten die Festspiele anderes als die Kultur, die wir eh hier in der Stadt haben? Der Rückhalt schwindet, auch in der Geschäftswelt. Und in den Fraktionen schwindet er für den seitherigen Betrag.“

Oberbürgermeister Matthias Knecht, eigens für den Tagesordnungspunkt in der Sitzung, ist sichtlich alarmiert über den Verlauf der Debatte. „Als ich als OB angetreten bin, wollten Sie von mir, dass man das, was man in Ludwigsburg hat, nicht kleiner macht, als es ist“, ruft er. „Wir sollten die Schlossfestspiele jetzt nicht kleinreden.“ Die 1:1-Finanzierung im Schulterschluss mit dem Land sei einmalig, die Außenwirkung der Festspiele enorm, und dass der Bund drei Millionen für ihre Neuausrichtung gegeben habe, „hat noch nie wer anderes erreicht“, sagt er. Die Festspiele seien wie das Schloss oder die Venezianische Messe ein Aushängeschild, auch die regionale Wirtschaft schätze sie sehr.

Schließlich gibt es knapp grünes Licht für die 800 000 Euro, bei Enthaltungen der FW und Ablehnung der CDU. Gabriele Moerschs Replik auf Sandig: Sie sei einzig beim Monrepos Open Air gewesen, während sie früher fünf Veranstaltungen besucht habe. Mittlerweile gehe sie öfter in die städtische Reihe im Forum. Das Programm spreche sie eher an.

Hoffen auf reichlich Publikum

Weniger Konzerte
Die Schlossfestspiele 2023 finden vom 11. Mai bis 22. Juli statt. Anfang März soll das Gesamtprogramm vorgestellt werden, viele Veranstaltungen stehen aber schon fest. Es wird diesmal weniger Aufführungen geben: Angesetzt sind 52 Veranstaltungen mit maximal zwei Vorstellungen (2022 waren es 70). Zusätzliche Veranstaltungen gibt es, wenn sich dafür Drittmittel finden lassen. Kalkuliert wird konservativ 50 Prozent Auslastung, „wir hoffen natürlich auf deutlich mehr“, so Jochen Sandig.

Breite Förderung
Die Schlossfestspiele werden maßgeblich von dem Land und der Stadt Ludwigsburg gefördert, außerdem von Sponsoren, einem Kuratorium mit Vertretern aus Wirtschaft und öffentlichen Institutionen und dem Förderverein.