Der Schlossplatz und der Schlossgarten sind Stuttgarts Vorzeigeplätze – aber zuletzt auch ein Paradies für Ratten. Seit Jahren wächst die Müllmenge. Wer ist verantwortlich?

Stuttgart - 500 000 waren da, aber schon am Montagvormittag sieht der Schlossplatz fast aus wie geschleckt. Alle Mülleimer leer, kaum noch Überreste des rauschenden Sommerfestes. Das klappt nicht immer so reibungslos. Über die Zustände auf dem Schlossplatz während der Jazz Open ärgerten sich viele Stuttgarter: berstende Mülleimer, enge Fuß- und Radwege. Über manches lässt sich für die kurze Zeit hinwegsehen, irgendwann aber riss bei einer Leserin unserer Zeitung der Geduldsfaden. „Nachdem mir soeben zwei Ratten über die Füße gesprungen sind, habe ich bei der Stadt angerufen“, schreibt sie empört. Das Amt für öffentliche Ordnung hat der Dame dann erklärt, dass für den Schlossplatz grundsätzlich das Land Baden-Württemberg verantwortlich sei.

 

Damit fallen offenbar auch die Zustände zwischen Dienstag, 16. Juli, und Freitag, 19. Juli, in den Verantwortungsbereich des Landes. „In dieser Zeit wurde nicht ein einziger Mülleimer am Schlossplatz geleert“, schreibt die Leserin. „Sie wurden allesamt am Dienstag gewaltsam geöffnet, die Mülltüten ausgeleert und der Müll auf dem angrenzenden Rasen verteilt.“

Jazz Open waren für Vermüllung verantwortlich

Benjamin Hechler, Sprecher des Landes, gibt der Beschwerdeführerin recht: „Grundsätzlich sind wir für den Schlossplatz verantwortlich. Während der Jazz Open war allerdings der Veranstalter zuständig. Mit der Veranstaltung ging auch die Pflege des ganzen Schlossplatzes über.“ Die Beobachtung der Leserin stimme: „Das hat dieses Jahr erst im zweiten Anlauf geklappt. Es ist richtig, dass die Mülleimer zum Auftakt leider gar nicht geleert wurden.“

Allerdings habe der vermüllte Schlossplatz auch andere Gründe. Und die liegen in dem Konsum- und Wegwerfverhalten der Bürger. Seit drei Jahren nimmt die Müllmenge im gesamten Schlossgarten zu, wie das Land berichtet: Waren es 2015 noch 85 Tonnen Abfall, steigerte sich die Menge in den folgenden Jahren kontinuierlich: 2016 waren es 92 Tonnen, 2017 noch mal sechs Tonnen mehr, und bis Ende Mai 2018 kamen bereits 45 Tonnen Müll zusammen.

„Während das Müllaufkommen bei den privaten Haushalten zurückgeht, haben wir im öffentlichen Raum immer mehr“, sagt Hechler. „Dazu kommt noch Sperrmüll mit Haushaltsgegenständen oder Ähnlichem.“ Summa summarum: weitere fünf Tonnen alleine bis Ende Mai dieses Jahres.

Besonders stark ist die Vermüllung im Oberen Schlossgarten. Dort fällt etwa die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens an. Im Mittleren Schlossgarten sind es rund 30 Prozent und im Unteren Schlossgarten rund 20 Prozent. „Vor allem auf dem Schlossplatz, am Eckensee und im Ehrenhof des Neuen Schlosses wird bis in die Nacht hinein gefeiert“, sagt Benjamin Hechler, „wir müssen dabei nicht nur Mülleimer leeren, sondern auch viel Müll zusammensammeln oder Scherben zusammenkehren.“

Auch XXL-Mülleimer kommen an Grenzen

Das Problem lässt sich offenbar nicht nur durch mehr Mülleimer und höhere Leerungsintervalle lösen. „Wir stellen mehr Abfalleimer auf, und wir kaufen größere Exemplare. Aktuell haben wir zwanzig XXL-Mülleimer bestellt, und auf dem Schlossplatz und im Oberen Schlossgarten werden die 50-Liter-Eimer durch 90-Liter-Modelle ersetzt“, sagt Hechler, „die Kollegen schauen auch, wo sie besser stehen könnten und wo zusätzliche Eimer sinnvoll sind.“

Dennoch scheint der Kampf gegen die Müllmengen wie der gegen Windmühlen zu sein. Er ist nicht zu gewinnen. „Leider fühlen sich nicht alle Besucher verantwortlich für den Müll, den sie verursachen. Deshalb sind mittlerweile die Mülleimer oft an ihren Kapazitätsgrenzen. Morgens sind schon jetzt fünf Mitarbeiter im Normalfall für rund drei bis vier Stunden tapfer im Einsatz. Und das ebenso am Wochenende“, sagt Hechler, „bei gutem Wetter ist das Müllaufkommen so hoch, dass die drei bis vier Stunden nicht ausreichen. Aus diesem Grund gibt es von April bis Oktober täglich eine zweite Reinigung am Nachmittag.“

Vor diesem Hintergrund appelliert der Sprecher des Landes an die Besucher der Innenstadt: „So sollte es aber nicht dauerhaft weitergehen. Es kostet mittlerweile rund 200 000 Euro im Jahr, den Park sauber zu halten. Allein 80 000 Euro Mehrkosten entfallen auf Zusatzarbeiten wie den zweiten Rundgang. Wir wollen, dass die Menschen den Schlossgarten nutzen und genießen können. Aber: Dazu gehören zwei Seiten. Wir erhoffen uns sehr, dass weniger Müll anfällt, aber vor allem, dass er nicht in den Büschen landet. Dann haben auch alle anderen mehr von den schönen Anlagen.“

Auch der Technische Bürgermeister der Stadt, Dirk Thürnau (SPD), sieht es so: „Die Sauberkeit unserer Stadt können wir nur gemeinsam und mit einem neuen Bewusstsein entscheidend verbessern. Die Verwaltung hat eine große Initiative gestartet, die jetzt spürbar wird. Die Stadt wird nur sauber, wenn jeder Einzelne bewusster mit seinem Abfall umgeht.“