Die Monarchfalter legen in Nordamerika bis zu 4000 Kilometer im Flug zurück. Biologen fragen sich, wie sich die Insekten dabei orientieren. Auf ihren inneren Kompass allein dürfen sie sich nicht verlassen, denn der arbeitet zu ungenau.

Stuttgart - Jedes Jahr im Herbst flattern einige Millionen Monarchfalter überall aus Nordamerika in ihr Winterquartier, das bis zu 4000 Kilometer entfernt im Zentrum Mexikos liegt. Dort sammeln sich die Schmetterlinge in kühlen Hochlagen an ganz wenigen Bäumen, an denen dann dichte Trauben dieser Insekten hängen. Wie sie den weiten Weg in dieses kleine Zielgebiet von wenigen Hektar Größe finden, beschreiben jetzt Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg und seine Kollegen in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften.

 

Auf Hilfe von älteren Artgenossen können die Schmetterlinge nicht hoffen: Zwar flogen ihre Ururgroßeltern ein Jahr vorher die gleiche Route. Denn nachdem sie in Mexiko den Winter überstanden hatten, ließen sich diese Monarchfalter von den Luftströmungen nach Texas tragen, legten dort ihre Eier und starben bald danach. Im Mai schlüpfte dort die nächste Generation und wanderte weiter nach Norden. In ihren Sommergebieten kommen dann drei weitere Generationen zur Welt.

Anfang September erinnern die kürzer werdenden Tage die jungen Monarchfalter daran, dass bald die ersten Frostperioden das Leben dieser eigentlich aus tropischen Regionen stammenden Insekten beenden könnten. Um dieses Risiko zu vermeiden, brechen sie also auf, um in das kleine, meist frostfreie Gebiet im Herzen Mexikos zu fliegen, aus dem ihre Ururgroßeltern im Frühjahr aufgebrochen waren.

Im Flugsimulator werden die Falter getestet

Wie aber finden sie den Weg dorthin? Ein in ihren Körper eingebauter biologischer Kompass zeigt zwar grob in die Richtung, in die sie fliegen müssen. Jeder Wanderer aber weiß, dass der beste Kompass nur zum Ziel führt, wenn man auch weiß, wo man sich befindet – man braucht also eine Art Landkarte. Ob die Monarchfalter auch eine solche Navigationshilfe von ihren Ururgroßeltern geerbt haben, wollten Henrik Mouritsen und seine Kollegen jetzt untersuchen. Sie haben im Südosten Kanadas im Frühherbst junge Monarchfalter gefangen und vier Tage lang mit dem Auto 2500 Kilometer bis weit in den Westen des Landes gefahren. Dort setzten die Forscher die Schmetterlinge in einen bereits für ein früheres Experiment konstruierten Flugsimulator, in dem sie wenige Stunden in einem künstlichen Wind flattern können, ohne dass sie tatsächlich vom Fleck kommen.

Artgenossen im Osten Kanadas flogen bei diesem Experiment grob nach Südwesten und damit recht gut auf ihr Winterquartier zu. Im Westen des Landes verhielten die Falter sich genauso, obwohl ihr Winterquartier jetzt südsüdöstlich von ihnen lag. Dieses Ergebnis deutet kaum auf eine eingebaute Landkarte im Schmetterling hin. Obendrein flogen die Monarchfalter im Osten und im Westen Kanadas gleichermaßen sehr ungenau in eine bestimmte Richtung: Bis zu 85 Grad wichen einzelne Tiere von der Durchschnittsrichtung ab. Es sieht so aus, als würden die Schmetterlinge nicht nur auf eine Landkarte verzichten, sondern sich auch noch auf einen sehr unzuverlässigen Kompass verlassen. Das gleiche Ergebnis zeigen auch etliche Beobachtungen in der freien Natur in den vergangenen 50 Jahren, die Henrik Mouritsens Vater Ole von der Universität im dänischen Aalborg mathematisch ausgewertet hat.

Wie Monarchfalter trotz dieser eigentlich mangelhaften Navigation den richtigen Weg finden, zeigten schließlich frühere Experimente, bei denen Schmetterlinge mit kleinen Aufklebern markiert wurden. Als die Forscher analysierten, wo diese Tiere wiedergefunden wurden, fanden sie klare Hinweise auf Navigationshilfen in der Natur. Die Falter fliegen normalerweise weder über hohe Gebirge wie die Rocky Mountains noch über große Wasserflächen wie den Atlantik oder den Golf von Mexiko.

Starten sie also irgendwo östlich der Rocky Mountains in Nordamerika und fliegen grob nach Südwesten, treffen sie über kurz oder lang auf eines dieser Hindernisse. „Dann fliegen sie einfach so an den Rocky Mountains oder an der Golfküste entlang, dass sie möglichst wenig von ihrem inneren Kompass abkommen“, erklärt Henrik Mouritsen. Da der Kompass nach Südwest weist, fliegen sie also entlang der Rocky Mountains nach Süden und an der Golfküste nach Westen.

Wie gigantische Leitplanken führen beide Hindernisse die Falter also in die korrekte Richtung. Da sich Berge und Wasser in Mexiko immer näher kommen, fliegen die Falter wie in einem riesigen Trichter auf ihr Ziel zu. Am Ende treffen sie auf eine Kette von Vulkanen, die ihnen den Weg versperren. Genau dort sind die Winterquartiere, in denen Monarchfalter ohne strengen Frost die kalte Jahreszeit überstehen.