Die Landesregierung investiert Millionen in den Ausbau des schnellen Internetzugangs in ländlichen Kommunen. Im Main-Tauber-Kreis nimmt Landesminister Alexander Bonde (Grüne) ein Modellprojekt in Betrieb.

Niederstetten - Rüdiger Zibold, Bürgermeister von Niederstetten (Main-Tauber-Kreis) bekommt am Mittwoch Besuch von Alexander Bonde. Der für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zuständige grüne Minister nimmt in dem knapp 5000-Einwohner-Städtchen im Norden des Landes eine „modellhafte Lösung“ für die Anbindung ans schnelle Internet in Betrieb. Via Satellit sollen die Bewohner künftig über bis 30 Megabit/Sekunde im Download und bis 5 Megabit/Sekunde im Upload verfügen können. „Man muss die Relation sehen“, sagt Zibold pragmatisch, „manche unserer neun Teilorte hatten vorher gar nichts“.

 

Die digitale Infrastruktur ist längst zum entscheidenden Standortvorteil oder Nachteil für Kommunen geworden. Die Technologie wächst rasant: Waren im Jahr 1999 mit Einführung von DSL maximal 168 Kilobit/Sekunde (kbit/s) im Download verfügbar, so waren es 2010 mit der Glasfasertechnologie bereits 100 Mbit/s. Die maximal verfügbare Zugangsgeschwindigkeit erhöhte sich um den Faktor 132. Das Tempo eröffnet Firmen neue Möglichkeiten: Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Mitarbeiter an verschiedenen Standorten in der Welt arbeiten gemeinsam an einem Projekt, Kundenaufträge können schneller bearbeitet werden. Vorteile für die Kommunen liegen im Energiesektor, im Bildungswesen oder in der Telemedizin, die Standortnachteile des ländlichen Raums im Vergleich zu den Ballungszentren ausgleichen könnten.

Der ländliche Raum hält mit der Stadt nicht Schritt

Könnten. Denn der Ausbau im ländlichen Raum hält mit dem in den Städten nicht Schritt. Investoren scheuen die teils gewaltigen Summen, die nötig wären; unterversorgte Regionen sind auf der digitalen Landkarte auszumachen. „Es zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle“, heißt es in den Analysen des Statistischen Landesamtes. Und weiter: „Die Daten des Breitbandatlanten zeigen, dass in den Landkreisen teils beachtliche Anteile der Haushalte über das Festnetz nicht einmal die Mindestanforderung an einen Breitbandanschluss von 1 Mbit/s erreichen.“

Beim ultraschnellen Breitband-Festnetz ist das Baden-Württemberg mit 75,5 Prozent der beglückten Haushalte Spitze. Die drahtlose Breitbandversorgung – wegen geringerer Tiefbauinvestitionen gerade auf dem flachen Land von Interesse – ist hingegen nur durchschnittlich. So verfügen über einen schnellen LTE-Mobilfunk-Anschluss beispielsweise im Kreis Schwäbisch Hall 31,1 Prozent der Haushalte, im Main-Tauber-Kreis sind es gerade noch 4 Prozent. Ganz ohne Anschluss an leitungsgebundenes sowie drahtloses schnelles Internet sind im Main-Tauber-Kreis 3,9 Prozent und im Kreis Schwäbisch Hall 3,1 Prozent (Stand 2011). Das sind sie, die weißen Flecken.

Das Land geht die Defizite an

Damit haben sich etwa die Bürger des 100-Seelen-Dorfes Wollmershausen (Kreis Hall) nicht abgefunden. Als im Jahr 2010 die Stromleitungen unter die Erde gelegt werden sollten, sahen die Bewohner die Chance, Glasfaserkabel für einen schnellen Internet-Zugang gleich mitverlegen zu lassen. Alle machten mit – und heute können die Dorfbewohner mit bis 50 Mbit/s im Netz surfen. „Die haben weitergedacht“, sagt Helmut Wahl, Chef der Haller Wirtschaftsförderungsgesellschaft, mit Stolz. Seine Organisation fungiert als Dienstleister für die 30 Städte und Gemeinden im Kreis, berät und bereitet die Anträge vor.

Denn das Land geht die Defizite an: Rund 40 Millionen Euro investierte Baden-Württemberg 2009 bis 2011 in die Verlegung von Rohren und in Zuschüsse an Netzbetreiber. Davon profitierte vor allem der gesamte Norden, darunter alle Kommunen im Kreis Hall. Mit der neuen Landesinitiative Breitband II (23,4 Millionen Euro) sollen nun die restlichen weißen Flecken angeschlossen werden. Dabei werden der Aufbau von Hochleistungsnetzen sowie alternative Verlegetechniken etwa im Abwasserkanal gefördert. Bis zu 50 Prozent der Kosten übernimmt das Land, interkommunale Zusammenarbeit wird nochmals mit 25 Prozent bezuschusst. Acht Gemeinden aus dem Kreis Hall spekulieren auf die Förderung.

Zurückhaltung im Main-Tauber-Kreis

Zurückhaltender agiert der Main-Tauber-Kreis. Hier hat man lediglich eine Machbarkeitsstudie für die Kommunen erstellen lassen und leitet deren Anträge ans Regierungspräsidium weiter. „Trotz der Landesförderung hängen die Möglichkeiten doch stark von der Finanzkraft der Kommunen ab“, gibt Wirtschaftsförderer Rico Neubert zu bedenken. „Manche finden einfach keinen Anbieter.“ In Niederstetten ist nun eine satellitengestützte Alternative gefunden worden, das Unternehmen Eusanet wird die Kommune künftig mit schnellem Internet versorgen. Der Haken an dem als „Modellprojekt“ gefeierten Vorhaben: Mobiles Surfen – und da liegt bekanntlich die Zukunft – unterstützt diese Technik nicht.