Mit dem Polizeitrick wird eine Rentnerin um 45 000 Euro gebracht. Zwei „Boten“ werden verurteilt.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - In Begleitung eines Rechtsanwalts erscheint die 76-jährige Rentnerin vor dem Waiblinger Amtsgericht. Sie ist von den beiden Angeklagten um viel Geld betrogen worden Die schmächtige Frau macht einen etwas verlorenen Eindruck. Nicht umsonst hat der Vorsitzende Richter Kärcher ihr einen Zeugenbegleiter zur Seite gestellt. Dieser wirkt beruhigend auf die Frau ein, die um einen Betrag zwischen 41 0000 und 45 000 Euro gebracht worden ist. Die genaue Summe ist nicht bekannt.

 

Bankmitarbeiter alarmieren die Polizei

Aufgeflogen ist das perfide Treiben durch aufmerksame Bankmitarbeiter, denen es merkwürdig vorkam, dass die betagte Kundin an einem Tag im Februar dieses Jahres gleich zwei Mal fast 5000 Euro abhob. Sie alarmierten daher die Polizei.

Jene erreichte eine Überwachung des Telefons der Frau und konnte so mithören, als ein gewisser „Kommissar Weber aus Ludwigsburg“ anrief und ihr Anweisungen gab, wieviel Geld sie zur Verfügung stellen müsse, um einen vermeintlichen Gewinn von 275 000 Euro entgegennehmen zu können. Ein Bote werde die „Bearbeitungsgebühr“ abholen und er persönlich werde später mit dem Gewinn nach Waiblingen kommen und ihn übergeben. Die Rentnerin glaubte diese haarsträubende Geschichte selbst dann noch, nachdem der erste Bote von der echten Polizei festgenommen worden war.

„Uns hat sie dagegen nicht geglaubt“, berichtet einer der Ermittler vor Gericht, der akribisch den gesamten Verlauf der Anrufe referierte. Sie wollte weiter zahlen. Erst als sie kaum noch Rücklagen auf der Hohen Kante hatte, änderte sich das. Daraufhin begann „Kommissar Weber“ sie unflätig zu beleidigen und zu drohen. Wenn sie nicht zahle, komme er vorbei, wenn sie tief schlafe und bringe sie um. Sie solle gefälligst ihre Rente abheben und ihre Konten überziehen, um ihm Geld zu geben. Die Polizei hörte mit und konnte eine weitere Übergabe ebenso vereiteln wie eine in Böblingen. Dorthin hatte die Frau ebenfalls Geld geschickt – mit einem Taxi.

Der Drahtzieher sitzt im Ausland

Sämtliche Anweisungen kamen von einem Drahtzieher in der Türkei. Dessen Identität ist inzwischen bekannt. „Ich nehme an, gegen ihn besteht mittlerweile ein internationaler Haftbefehl“, fragt Kärcher, doch muss er verwundert hören, so weit sei man noch nicht, doch die Polizei arbeite daran. So wie es aussieht, arbeitet dieser Drahtzieher bundesweit und engagiert immer vor Ort Gehilfen, die gegen Beteiligung das Geld holen, aber die Bauernopfer sind, wenn es schief geht. Im vorliegenden Fall sind die Angeklagten noch glimpflich davongekommen. Ein 56-jähriger Fellbacher, der vier Mal Geld abholte, wurde zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dass er nicht weiter hinter Gittern bleibt, hat er seinem Geständnis und 5000 Euro zu verdanken , die seine Familie aufgebracht hat, um die Summe der 76-Jährigen als Ausgleich zu geben.

Seniorin war schon einmal Opfer von Betrügern

Der zweite Angeklagte, der ebenfalls seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft sitzt, bleibt weiterhin im Gefängnis. Ein Jahr und vier Monate ohne Bewährung verhängte das Gericht gegen ihn. Er hatte abgestritten, etwas von dem Betrug gewusst zu haben. Der andere habe ihn zu der „lieben alten Frau“ geschickt, da er diese angeblich betreute und sie ihm etwas für ihn übergeben wollte.

Die 76-Jährige ist bereits vor vier Jahren Opfer eines solchen Betrugs geworden. „Sie waren doch unter Betreuung. Diese wurde aber 2016 aufgehoben. Warum das?“, fragt der Richter Kärcher. „Der hat nichts gemacht, nur kassiert“, antwortet sie. „In dieser Zeit sind Sie aber auch nicht betrogen worden“, entgegnet ihr der Vorsitzende.