Nach Jahren der Verzögerungen und technischen Hürden gibt es endlich einen Hoffnungsschimmer für die Fahrgäste der Schönbuchbahn: Die neuen elektrischen Nexio-Züge haben seit Mitte März eine Betriebserlaubnis. Das heißt, die Schönbuchbahn könnte bald elektrisch fahren. Doch ein wesentliches Problem bleibt: Bevor mit der Umschulung der Lokführer begonnen werden kann und die Züge auf die Strecke zwischen Böblingen und Dettenhausen gehen können, müssen sich der Kreis und der spanische Hersteller CAF noch auf eine Übergaberegelung einigen.
Denn es gab und gibt Streit: Der Kreis will den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis nicht zahlen, weil er Mängel an den Zügen sieht. So gab es Probleme bei der Zulassung, etwa wegen falsch eingestellter Bremsen. Auch die technische Abnahme verlief nicht reibungslos. Ein Beispiel: Das Zugsicherungssystem zeigte dem Lokführer Störungen an, die gar nicht vorlagen – der Zug bremste dann ohne Grund. Bei der jüngsten Versammlung des Zweckverbands Schönbuchbahn überwog jedoch erst einmal die Erleichterung über die erfolgte Zulassung der E-Fahrzeuge.
Nexio-Züge sollen an den Erfolg des Regio-Shuttles anknüpfen
„Wir sind froh, dass die Schwebephase vorbei ist“, machte Landrat Roland Bernhard seiner Erleichterung Luft. Als Vorsitzender des Zweckverbands Schönbuchbahn war Bernhard damals für die Bestellung der neuen Züge verantwortlich. Mit den Nexio-Zügen hofft man, an den Erfolg des Regio-Shuttles anzuknüpfen – der kam vor mehr als 30 Jahren nämlich erstmals im Kreis Böblingen zum Einsatz. Damals war der Kreis einer der Ersten, die das leichte Dieseltriebfahrzeug testete. „Wir würden Geschichte schreiben, wenn wir den Erfolg wiederholen, den wir vor gut 30 Jahren mit dem Regio-Shuttle hatten“, sagte Bernhard noch im April. Nicht absehbar war das endlose Hin und Her bei der Zulassung. Der Kreisrat Klaus Wankmüller (Grüne) fragte seinerzeit, ob man sich auf die falsche Firma eingelassen habe.
In der Vergangenheit nannte Bernhard immer wieder Termine für die Umstellung auf die E-Fahrzeuge. Doch jedes Mal scheiterten diese Pläne. Bei der Versammlung äußerte er sich nun vorsichtiger: „Unser Ziel ist der Juli – noch vor der Sommerpause. Das halten wir für realistisch.“ Die Umschulung der Lokführer soll bereits in den nächsten ein bis zwei Wochen starten. Doch wie, wenn die Züge dem Kreis offiziell noch gar nicht gehören?
Landkreis macht einen erheblichen finanziellen Schaden geltend
Laut Benjamin Lutsch, Pressesprecher des Böblinger Landratsamts, werden die ersten Schulungen zunächst theoretischer Natur sein. Das verschafft dem Kreis mehr Zeit, da man noch „in intensiven Verhandlungen mit CAF“ steckt. Auf dem Tisch liegen zwei Optionen: Eine Überlassungsvereinbarung, die dem Kreis die Nutzung der Züge ermöglicht, ohne sie zu besitzen. Die zweite Option wäre eine Übereignung – dafür müsste der Kaufpreis bezahlt werden. Doch der Kreis zögert, weil er, wie erwähnt, Mängel an den Fahrzeugen sieht. So oder so, betont Bernhard, würde eine Zahlung des Kaufpreises kein Zugeständnis darstellen. „Die Klage wird dadurch keinesfalls relativiert.“
Gemeint ist die Schadenersatzklage des Landkreises Böblingen gegen den Zughersteller CAF. Ganz konkret geht es darum: Die zwölf Züge, die rund 70 Millionen Euro kosten, stehen seit über drei Jahren ungenutzt auf dem Abstellgleis. Wegen der langen Verzögerungen macht der Landkreis einen erheblichen finanziellen Schaden geltend, den er nun gerichtlich durchsetzen will. Laut Zweckverband geht dieser Schaden direkt auf die Lieferschwierigkeiten von CAF zurück.
„Wir wollen diesen Konflikt nicht auf dem Rücken der Fahrgäste austragen“
Der Zughersteller CAF wiederum sieht die Verantwortung für die Verzögerungen bei den Behörden und kritisierte in der Vergangenheit, dass sowohl das Landeseisenbahnamt als auch das Bundesamt zwei unterschiedliche Regelwerke mit jeweils eigener Auslegung angewendet hätten – was laut CAF-Geschäftsführer Ronald Lünser dazu führte, dass unklar war, wer inhaltlich den Ton angibt und welches Regelwerk verbindlich ist.
Das oberste Ziel sei es nun, so Bernhard, den Betrieb mit den neuen Zügen so schnell wie möglich aufzunehmen – auch wenn noch viele Fragen offen sind. Wer für die monatelangen Verzögerungen verantwortlich ist, werde vermutlich erst später geklärt. „Sicher nicht der Zweckverband“, betonte er bei der Versammlung, wobei ihm seine Enttäuschung über den bisherigen Verlauf deutlich anzumerken war. Klar ist auch, dass der Zweckverband weiterhin an CAF gebunden sein wird, da ein Instandhaltungsvertrag für die nächsten 19 Jahre besteht. „Deshalb möchte ich eigentlich ungern den gerichtlichen Weg gehen“, erklärte Bernhard. Wichtig sei ihm, dass die Fahrgäste nicht unter dem Streit zwischen dem Zweckverband und dem Hersteller leiden. „Wir wollen diesen Konflikt nicht auf dem Rücken der Fahrgäste austragen.“
Bis zum Einsatz der neuen Züge bleibt es beim 30-Minuten-Takt und einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. In der Übergangsphase mit Mischbetrieb aus Diesel- und Elektrofahrzeugen gilt diese Geschwindigkeitsbegrenzung. Sie entfällt, sobald das letzte Dieselfahrzeug die Strecke verlässt. Dann folgt der 15-Minuten-Takt, auf den viele Fahrgäste bereits gespannt warten.
Der neue E-Zug
Nexio
Der Nexio, ein Mix aus Stadtbahn und normalem Schienenzug, ist ein sogenannter Leichtnahverkehrstriebwagen. Die Fahrzeuge verfügen über 94 Sitzplätze. Dazu kommen 120 Stehplätze, wenn mit drei Personen pro Quadratmeter gerechnet wird. Multifunktionsbereiche bieten zudem Platz für Fahrräder, Kinderwagen und Rollstühle. Außerdem gibt es eine Klimaanlage, Internet- und Stromanschlüsse, eine Fahrgastinformation über Anschlüsse wie in der S-Bahn sowie Videoüberwachung im Innenraum und in den Türbereichen.