Hundefriseur war gestern. Heute schicken viele US-Amerikaner ihre Vierbeiner zum Schönheitschirurgen. Auch das Hollywoodsternchen Kim Kardashian hat seinen Boxer Rocky unters Messer legen lassen – für Hodenimplantate aus Silikon.

Los Angeles - In der Overland Veternarian Clinic in Los Angeles begrüßt der Tierarzt Louis Schwartz seinen vierbeinigen Patienten Eli. Der große, grau-braune Weimaraner wird heute kastriert. Aber nicht nur das: Sein Frauchen Shawna Henrie spendiert dem Liebling Silikonhoden, damit der Rüde nach der Kastration ja nicht als Hundedame durchgeht. „Ich hatte Angst, er würde danach wie ein Weibchen aussehen“, sagt die blonde Hundebesitzerin. „Ich will, dass mein Junge auch aussieht wie ein Junge.“ Ein hodenloser Hund kam für Shawna Henrie also nicht in Frage. Deswegen soll Doktor Schwartz ihrem Eli – zumindest zum Schein – die Männlichkeit zurückgeben, und zwar mit Implantaten, die aus Silikon geformt sind und direkt nach der Kastration eingesetzt werden.

 

Neuticles – ein Wortspiel der englischen Begriffe für kastrieren (to neute) und Hoden (testicles) – heißen die Hodenimplantate für Hunde. Sie sind in den USA der neueste Trend. Erfunden hat sie Gregg Miller, der Gründer des Unternehmens Neuticles in Kansas City. Als sein Hund Buck 1993 kastriert werden sollte, kam er auf die Idee. „Ich dachte, vielleicht können wir Art Implantat machen, sodass Buck auch nach der Kastration ein ganzer Kerl ist”, sagt Gregg Miller. Der Tierarzt hat ihn damals ausgelacht: „Hodenimplantate für Hunde, das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe!” Doch zwei Jahre später wurde die verrückte Idee Realität, und Miller hat seit 1995 eine halbe Millionen Silikonhoden auf der ganzen Welt verkauft. Vom Chihuahua bis zur Dogge gibt es für jeden Hund das passende Model. Die kleinste Variante gibt es bereits für 90 Euro, für XXL-Prachtexemplare müssen Herrchen und Frauchen 450 Euro hinblättern. Die prominenteste Kundin von Gregg Miller ist das Reality-TV-Starlet Kim Kardashian. Sie hat die Genitalpartie ihres Boxers Rocky ebenfalls mit Neuticles aufpoliert.

In manchen Fällen sind die Eingriffe medizinisch notwendig

Doch nicht nur in Hollywood, auch in Deutschland erfreuen sich die falschen Hundehoden großer Beliebtheit. Sandra Goericke-Pesch, Fachtierärztin an der Universitätsklinik Gießen, hat schon zahlreichen Vierbeinern ein Silikonimplantat ins Säckchen operiert. „Ich hatte viele Hundebesitzer, die aus optischen Gründen keine Kastration ihres Rüden wollten, die Operation aber medizinisch notwendig war. Für mich stand letztendlich im Vordergrund, dem Hund zu helfen, und dafür kriegt er halt von mir aus ein Hodenimplantat – wenn es die Leute glücklich macht.“

Aber machen die falschen Hoden auch den Hund glücklich? Auf der Homepage von Neuticles.com heißt es, die Implantate gäben dem Vierbeiner nach einer Kastration das verlorene Selbstwertgefühl zurück. Doch die Tierärztin glaubt, dass die Beauty-OP dem Hund selbst vollkommen schnuppe ist. „Ich denke nicht, dass es für den Hund von Relevanz ist, ob er im Hodensack Plastik hat oder nicht“, sagt Sandra Goericke-Pesch. „Aber es schadet ihm zum Glück nicht. Das hat sich bei allen Implantaten, die wir eingesetzt haben, gezeigt.“

Auch gegen schlaffe Ohren gibt es Implantate

Schönheitschirurgie für Vierbeiner spielt sich aber nicht nur zwischen den Beinen ab. Besonders beliebt sind auch strahlend weiße Zähne durch Bleeching, Implantate gegen schlaffe Ohren oder das in Deutschland mittlerweile verpönte Verkürzen von Schwänzen. Extrem dicken Tieren wird in Amerika sogar Fett abgesaugt. Nach Schätzungen des US-Haustierverbandes American Pet Products Association haben Haustierhalter in den USA 2011 umgerechnet etwa 3,3 Milliarden Euro für die „Verschönerung“ ihrer Haustiere ausgegeben. Viele chirurgische Eingriffe zeugen von der puren Eitelkeit der Tierbesitzer, kritisiert Ryan Huling, der Sprecher der Tierrechtsorganisation Peta in Los Angeles. „Die Eingriffe verursachen unnötige Leiden für die Tiere“, sagt er. „Ich kann keinen medizinischen Vorteil darin erkennen, einem Hund die Nase zu operieren oder ihm Hodenimplantate einzusetzen.“

Manche Eingriffe sind allerdings medizinisch gerechtfertigt, sagt die Tierärztin Sandra Goericke-Pesch: „Wenn man einem Mops etwa das Gaumensegel kürzt, sieht der Hund danach sicherlich nicht schöner aus. Aber er bekommt besser Luft.“ Und auch ein Faltenlifting ist nicht immer zwangsläufig eine reine Schönheits-OP: „Bei einige Faltenhunde entstehen in den Ritzen Hautinfektionen, die nicht ausheilen können. Auch da steht die medizinische Notwendigkeit im Vordergrund.“ In Deutschland verbietet das Tierschutzgesetz medizinisch nicht notwendige Eingriffe an Vierbeinern. Doch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten werden solche Gesetze als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Halters gesehen – Tiere gelten in den USA als Besitz.