Die einen sagen: Lasst euch nicht vom Schönheits-Wahn klein kriegen – altert in Würde. Andere pfeifen darauf und lassen sich Botox spritzen oder operieren. Glaubt man zwei Stuttgarter Chirurgen, wird die zweite Gruppe immer größer.

Stuttgart - Hier stimmt alles. Perfektion ist das Maß, mit dem in der Schönheitsklinik von Doktor Fitz gemessen wird. Kein Staubkorn liegt auf dem braunen Laminatboden. Die beigen Ledersessel im Wartezimmer stehen so, wie sie der Innenarchitekt wahrscheinlich am ersten Tag platziert hat. Es riecht sogar clean. Alles, was den Anschein eines Makels hat, ist eliminiert.

 

Die Umgebung in der exklusiven Gegend in der Klinik auf der Karlshöhe hat Signalcharakter. Wer in das Haus an der Humboldtstraße eintritt, soll wissen: Hier geht es um Millimeterarbeit. Oder wie Chefarzt Christian Fitz sagt, „um dezente Ergebnisse, die Sinn machen“. Brachiale Korrekturen mit dem Vorher-Nachher-Wow-Effekt nennt der Facharzt für ästhetisch-plastische Chirurgie „einfach grausam“.

Dr. Sebastian Haack, Ärztlicher Direktor der renommierten Klinik für Plastische Gesichtschirurgie am Marienhospital, muss solche Extrem-Ergebnisse immer wieder ausbügeln. Die Korrektur misslungener Schönheitsoperationen gehört zu seinem täglichen Brot. „Fast die Hälfte von Dr. Haacks Patienten kommt zu ihm, weil sie andernorts mit ungünstigem Ergebnis operiert worden sind“, sagt ein Sprecher des Marienhospitals.

Kassenärztliche Vereinigung: 17 plastische Chirurgen in Stuttgart

Diese abschreckenden Beispiele kennt auch Christian Fitz. Allerdings nicht aus Stuttgart. Eher aus dem Ausland. Der Markt in der Stadt ist ohnedies überschaubar. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) listet für Stuttgart 17 Ärzte mit diesem Fachgebiet auf. „Alle Ärzte in der KV unterliegen Qualitätssicherungsmaßnahmen in Standards wie Hygiene oder Ausübung“, sagt KV-Sprecher Kai Sonntag und rät: „Konsultieren sie im Zweifel immer mehrere Ärzte und klären sie auch die Fragen der Nachsorge. Mit der OP alleine ist es nicht getan.“

Wie es auf dem privatärztlichen Markt aussieht, vermag Sonntag nicht zu sagen. In der Branche spricht man jedoch von etwa zehn Anbietern in der Stadt. „Es ist ein transparenter Markt“, sagt Christian Fitz, „und es geht unter den Wettbewerbern friedlich zu.“

Im Gegensatz zu anderen Großstädten. München zum Beispiel. „Dort gibt es zwischen 70 und 100 Anbieter, die sich im Internet bekriegen“, sagt Fitz. Die einschlägigen Portale im Internet (zum Beispiel www.jameda.de) seien daher Segen und Fluch zugleich. Allemal gut für die Patienten, weil sie dort Informationen erhalten. Manchmal aber auch schlecht für den Arzt. „Ein Fehler verbreitet sich heute wie ein Lauffeuer im Internet“, sagt Fitz, „so etwas kann einem den Ruf ruinieren.“

Der gute Ruf ist alles in diesem Bereich der Medizin. Zumal in Stuttgart, wo die Mitglieder der höheren Gesellschaft recht überschaubar sind. Jeder kennt jeden. Wenn der Schönheitschirurg Fitz beispielsweise den Szene-Griechen Cavos betritt, beginnen die Damen zu tuscheln. Frau kennt die Profession und meistens auch die Kundschaft des attraktiven Herrn, der mit seinen 51 Jahren gut und gerne als 40er durchgehen könnte. Natürlich hat auch er mit leichten Unterspritzungen der Natur auf die Sprünge geholfen. Seine Motivation ist dabei dieselbe wie bei Frauen in seinem Alter. „Wir alle fühlen uns doch noch viel jünger und vitaler, als wir eigentlich sind“, sagt Fitz. Zwischen dem Innen und Außen wachse heutzutage eine immer größere Kluft.

Lena, eine Patientin Anfang 50, beschreibt das so: „Um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte festgestellt, dass ich mit zunehmenden Alter einem immer aussichtsloseren Kampf gegen die Schwerkraft ausgesetzt war. Alles begann nach unten zu sinken.“ Nicht nur das. Auch die müden Augen sollten verschwinden. Und die Falten um den Mund, die sie verärgert und gereizt wirken ließen, mussten weg.

Nach der Behandlung mit so genannten Skinboostern fühlte sich die Dame um sechs bis sieben Jahre jünger. „Das hat mir mental Auftrieb gegeben. Und ich bin davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen gut aussehen und gut fühlen gibt.“

20 Prozent Männer gehen zum Schönheits-Chirurg

Fitz würde sagen: Das Innere und das Äußere harmonieren nun wieder. Daher findet er es auch nicht verwerflich, dass immer mehr Menschen – auch in Stuttgart – den Wunsch nach so einer Anpassung haben. Auch weil der Druck in der Gesellschaftwachse. „Beispielsweise Frauen, die in den Beruf zurückkehren, wollen wieder mithalten können“, sagt Fitz, „das ist doch nachvollziehbar.“

Aber auch immer mehr Männer (20 Prozent Anteil) landen bei ihm in der Praxis. Auch wegen des wachsenden Wunschs nach (Selbst-)Optimierung. Gerade deshalb lehnen die Kritiker solche Eingriffen kategorisch ab. Ihre Argumente zielen gegen den Schönheits-Wahn einer Auslese- und Casting-Gesellschaft, in der bei Heidi Klum oder Dieter Bohlen nur der Stärkste, Beste und Schönste einen Wert haben.

Das Gegenargument von Christian Fitz’ ist zugleich sein Motor. Es seien Menschen, die sich nach seinen Kunstgriffen besser und glücklicher fühlen. „Ich stelle immer wieder eine gewisse Wesensveränderung bei den Patienten fest, einen Zugewinn an Lebensqualität und Selbstbewusstsein. Das ist unglaublich und immer wieder schön“, sagt Fitz und ergänzt: „Das ist ein besonderer Lohn für meine Arbeit.“

Tatsächlich wird seine Leistung auch finanziell reich entschädigt. Eine Brustvergrößerung kostet inklusive Narkose 6500 Euro. Fettabsaugungen oder Bauchdeckenstraffungen liegen zwischen 2000 und 6000 Euro. Aber Doktor Fitz beteuert, dass Geld nicht sein eigentlicher Antrieb war, als er sich für die „Königsdisziplin“ (Fitz) innerhalb der Medizin entschieden hatte: „In unserem Beruf herrscht eine ganz andere Emotionalität. Es ist eine andere Qualität im Umgang mit dem Patienten. Man braucht mehr Einfühlungsvermögen. Das hat mich gereizt.“

Nicht nur das. Er vergleicht die ästhetisch-plastische Chirurgie mit Poesie (griechisch: poiesis, Erschaffung). Fitz schafft Neues. Muss nichts kurieren. Wenn er heilt, dann die unglückliche Seele. „Viele Patienten haben einen langen mentalen Leidensweg hinter sich“, sagt er. Aber allen kann er nicht helfen. Auch wenn er die Grenzen und Gesetze der Natur mitunter verschiebt. Außer Kraft setzt er sie nicht. „Ich kann nicht zaubern“, sagt er. Was in seiner Vorstellungskraft nicht denkbar ist, könnten selbst seine Hände nicht umsetzen. Es sei ein bisschen so, wie bei Michelangelo. Der große Renaissance-Bildhauer sagte immer: „Die Statue steckt von Anfang an in dem Marmorblock. Ich habe nur entfernt, was nicht dazu gehört.“ Fitz würde sagen: Entferne bei einem Problem alles Unbrauchbare – und übrig bleiben viele tausend Chancen.