Wer wird nach der nächsten Wahl Kanzler: Olaf Scholz oder Friedrich Merz? Es ist das Duell zweier unbeliebter Kandidaten. Beide müssen noch viel tun, um inhaltlich zu überzeugen, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Es ist noch knapp ein Jahr bis zum regulären Termin der Bundestagswahl 2025 – doch der Wahlkampf hat bereits begonnen. Bislang mutet er ein bisschen an, als handele es sich um eine abgeänderte, besonders absurde Version von Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Darin schwatzen zwei findige Burschen einem Kaiser nicht vorhandene Kleider auf, sodass dieser nackt vor dem eigenen Volk steht.

 

In der modernen Version zum Bundestagswahlkampf sind die Hauptpersonen zwei Kanzlerkandidaten, die – in den Augen der meisten Menschen im Land – mit Blick auf ihre bisherigen Leistungen und ihr inhaltliches Angebot wenn nicht nackt, dann doch mindestens spärlich bekleidet dastehen. Die aber mehr oder weniger so tun, als sei alles großartig. Zwei Männer, die sich selbst für beeindruckende Kandidaten und Regierungschefs halten.

Die Erzählung des Möchtegern-Chefs

Da ist Olaf Scholz, der die Wahl mit der Erzählung gewinnen will, es könne keinen besseren Regierungschef geben als ihn selbst. Nur dass die Menschen ihn bald drei Jahre lang als immer wieder hilflosen Möchtegern-Chef einer dauerstreitenden Koalition erlebt haben. Keine Frage: Gerade zu Beginn des Krieges in der Ukraine hat die Ampel viel getan, um die Energieversorgung im Land zu sichern. Doch während Scholz im Wahlkampf des Jahres 2021 für viele für eine Fortsetzung der als solide empfundenen Merkel-Jahre stand, ist er jetzt der Mann, mit dem alle das Ampel-Chaos verbinden.

Der Wahlsieg Dietmar Woidkes in Brandenburg, der auf der Abgrenzung von Scholz und der Ampel beruht, hat den Kanzler vor einer andauernden Kandidatendiskussion in der SPD gerettet. Doch muss die Debatte darüber, ob Boris Pistorius die besseren Wahlchancen hätte, damit nicht endgültig erledigt sein. Scholz ist ein Kandidat auf Bewährung. Die SPD setzt darauf, dass er in Abgrenzung zu Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz jetzt nach und nach in den Umfragen zulegt. Gelingt ihm dies nicht, könnte in der SPD die Diskussion über eine Pistorius-Kandidatur im Frühjahr doch noch losbrechen.

Merz wiederum – der sich in der Flüchtlingspolitik maximal von Angela Merkel abgesetzt hat – möchte jetzt offensichtlich wissen, wie weit er es in der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit einer Imitation des früheren Merkel-Stils bringen kann. Er bleibt unkonkret. Dabei wüsste man von ihm gern, wie er – jenseits von Parteitagsplattitüden – Deutschland tatsächlich aus der Wirtschaftskrise holen möchte. Oder wie er die Investitionen im Land stemmen möchte, wenn er eine Reform der Schuldenbremse ablehnt, die auch in den Unions-geführten Ländern viele für dringend geboten halten.

Vereint in Ängstlichkeit

In der Rentenpolitik agiert Merz so feige wie Scholz. Der Kanzler will sich mit dem Rentenpaket II die Stimmen der älteren Generation sichern. In ihrem gerade erst beschlossenen Grundsatzprogramm hat die CDU richtig erkannt: Wenn die Renten stabil bleiben sollen, wäre es hilfreich, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Im Wahlkampf möchte Merz diese Erkenntnis aber lieber verschweigen.

Die Wahlkämpfe in Deutschland und den USA sind nicht vergleichbar – schon gar nicht mit Blick auf jetzige oder vorherige Kandidaten. Dennoch droht in Deutschland eine Konstellation, die in einer Hinsicht dem ursprünglichen Zweikampf von Joe Biden und Donald Trump gleichkommt: nämlich, dass zwei gegeneinander antreten, die beide von der Mehrheit nicht gewollt werden.

Begeisternde Kandidaten? Das könnte schwierig werden. Doch vielleicht kommt es ja zwischen Union und SPD doch noch zu einem echten Wettbewerb der Ideen. Das wäre gut fürs Land.