Eigentlich wollten sie nur Schuhe kaufen – dann retteten William Patrick und seine Begleiterin drei seltene Jungvögel vor dem Tod auf der B 29. Was mit der Mutter geschah, bleibt ungewiss, doch für die Küken gibt es Hoffnung.

Eigentlich wollte sich William Patrick am Donnerstag nur neue Wanderschuhe in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) kaufen. Aus der unspektakulären Einkaufstour wurde aber unversehens eine dramatische Rettungsaktion – eine, die leider nur zum Teil ein glückliches Ende fand. Denn gleich nach der Auffahrt auf die B 29 in Richtung Winterbach sahen William Patrick und seine Beifahrerin Stephanie Eckstein plötzlich eine Vogelmutter mit ihren sechs Kinderchen, die auf dem Standstreifen der mehrspurigen Schnellstraße in Richtung Winterbach watschelten.

 

Kurzentschlossen hielten die beiden an, alarmierten die Polizei und versuchten dann, die kleine Familie zu stoppen und einzufangen. Bloß wie? „Wir hatten ja weder ein Fangnetz noch eine Transportkiste dabei“, beschreibt William Patrick das Dilemma. Hinzu kam, dass viel los war auf der Bundesstraße – jede Menge Autos, die mit gut 100 Sachen vorbeirauschten.

Eine Gänsesäger-Mama mit typischer Sturmfrisur und fünf Kindern. Foto: dpa

William Patrick versuchte trotzdem, die Vogelmutter vom Marsch über die Fahrbahn in Richtung Rems abzuhalten. „Sehr überraschend war, dass die Kleinen zuerst hinter ihrer Mutter drein watschelten, sich aber dann auf zwei Dreiergruppen aufgeteilt haben“, erzählt der Winnender. Dem langjährigen Nabu-Mitglied war sofort klar, dass er da eine Gänsesäger-Mutter mit ihrem Nachwuchs vor sich hatte.

Gänsesäger sind selten und scheu

Die scheuen Gänsesäger sind eher selten, besonders hier im Südwesten. Brutvorkommen gibt es vor allem im Norden Deutschlands, an der Ostseeküste und an der polnischen Grenze sowie im Voralpenraum. Laut dem Nabu gibt es noch etwa 850 bis tausend Brutpaare, die Art gilt als gefährdet.

Das Weibchen, gut erkennbar an der rotbraunen Sturmfrisur, der weißen Kehle und dem gräulichen Gefieder, ließ sich von den Zweibeinern nicht aufhalten, sondern marschierte allein über die Fahrbahn zur Mittelleitplanke. „Zum Glück hielten jetzt viele Autos an und wir waren nicht mehr so gefährdet“, erzählt Patrick. Unglücklicherweise folgten nun aber die Jungen ihrer Mama. „Trotz massiver Unterstützung von zwei Feuerwehrmännern, die zufällig da waren, gelang es uns nicht, sie vom Durchmarsch auf die Gegenfahrbahn abzuhalten. Sie wurden vor unseren Augen überfahren“, sagt William Patrick. Was aus der Mutter geworden ist, weiß keiner.

Drei Küken wurden gerettet

Stephanie Eckstein gelang es derweil mit einem hilfsbereiten Team, bestehend aus einem Lastwagen-Fahrer, einer Autofahrerin und einem Autofahrer, zwei Küken in Sicherheit zu bringen. „Der Autofahrer hat später noch ein drittes Exemplar entdeckt, eingefangen und mit nach Winterbach genommen“, erzählt William Patrick.

Das Vögelchen, das die Größe eines Tennisballs hat, brachten Patrick und Eckstein mit den zwei weiteren Geschwistern nach Westhausen bei Aalen. „Karin Sailer vom Verein Arche in Berglen hat uns den Tipp gegeben“, sagt Patrick. Er hofft, dass Karin Rentschler von der dortigen Nabu-Wildvogel-Pflegestation die schwierige Aufzucht der Küken gelingt. Am Essen soll es jedenfalls nicht scheitern – die Retter von der B 29 haben eine Lieferung Heimchen zugesagt.

„Ich hätte nicht gedacht, dass man so hilflos sein könnte, wenn man helfen will“, sagt William Patrick: „In solch einer Situation wäre guter Rat teuer, aber nicht einmal die Polizei hat uns unterstützt – sie ist nur ein Mal auf und ab gefahren.“