Daimler will auf dem Gelände eines ehemaligen Militärdepots im Schurwald bei Schorndorf eine Teststrecke einrichten. Dort soll der Lärm von Lastwagen gemessen werden. Nicht alle sind davon begeistert.

Schorndorf - Mitten im Schurwald, nahe der Grenze zwischen dem Rems-Murr-Kreis und dem Kreis Göppingen, peilt die Firma Daimler einen Standort für eine spezielle Messstrecke an. Wie jetzt über eine Information für den Schorndorfer Gemeinderat bekannt wurde, ist das Gelände eines früheren Bundeswehrdepots zwischen dem Teilort Oberberken und Uhingen (Kreis Göppingen) dafür im Gespräch. Dort plant die Daimler AG eine sogenannte Vorbeifahrmessstrecke für Nutzfahrzeuge. An 100 Tagen im Jahr sollen Prototypen von Lastwagen aus Untertürkheim im Schurwald über eine mehrere Hundert Meter lange Schleife rollen. Messmikrofone zeichnen die Geräuschentwicklung auf. Das Verfahren sei für die Zulassung der Nutzfahrzeuge nötig, sagt der Konzernmitarbeiter Lothar Ulsamer. Bisher werde in Wernau am Neckar (Kreis Esslingen) gemessen. Die dortige Messstrecke, die sich in einem Naturschutzgebiet befindet, soll aufgegeben werden. Frühestens im Jahr 2017 könnte der Testbetrieb in Oberberken beginnen.

 

Teststrecke statt Windkraftanlagen?

Das Gelände, das sich am Südrand der Schorndorfer Gemarkung befindet, ist seit Jahrzehnten weitgehend ungenutzt. Es ist vor allem als Standort für Windkraftanlagen im Gespräch und machte im Frühjahr wegen einer Demonstration gegen den Landesumweltmister Alexander Bonde Schlagzeilen. Für eine Messstrecke eigne es sich sehr gut, erklärt der Leiter des Amtes für Planung und Stadtentwicklung, Manfred Beier. Die notwendigen Straßen gebe es dort bereits, die bestehenden Fahrbahnen seien in einem guten Zustand, zudem sei die Fläche eben. Auch liegt das Depot zu großen Teilen nicht im Bereich von Schutzgebieten, welche Testaktivitäten verhindern würden. Zudem gebe es in dem Waldstück Sichtschutz, damit die Messaktivitäten von Daimler nicht von der Konkurrenz ausgespäht werden könnten.

Für Daimler seien indes weitere Punkte entscheidend, sagt Lothar Ulsamer: Die Lastwagen brauchten von Untertürkheim nach Oberberken nur rund 45 Minuten Fahrzeit, zudem biete der Wald die nötige Ruhe, die man für die Messungen brauche. Auch ist es laut Ulsamer seit Langem ein Wunsch der Stadt Schorndorf gewesen, eine Einrichtung von Daimler zu bekommen. Gottlieb Daimler ist in Schorndorf zwar zur Welt gekommen, einen Produktions- oder Entwicklungsstandort hat es dort aber nie gegeben. Eine übermäßige Belastung für die Bürger gebe es durch die Strecke nicht, versichert Ulsamer. Es werde nur an trockenen Tagen zwischen Frühjahr und Herbst gemessen, es seien „keine Kolonnen von Lastwagen“ zu erwarten. Man sei zurzeit noch auf der Standortsuche und werde nun den Kontakt zu den Fachbehörden von Forst und Naturschutz aufnehmen.

Stadtrat Peter Schwan fühlt sich „veräppelt“

Die Schorndorfer Rathausspitze sieht, wie es in der Gemeinderatssitzung hieß, in der Messstrecke „mehr Nutzen als Nachteile“. Nur der Freie-Wähler-Stadtrat Peter Schwan zeigte sich irritiert. Er habe sich beim Lesen der Vorlage gefragt, „ob meine Brille defekt ist“. Schließlich sei die Stadt vor Jahren für ein Lastwagendurchfahrtsverbot auf den Schurwaldquerungen eingetreten, um den Teilort Oberberken zu entlasten, dessen Durchfahrtsstraße marode sei. Er fühle sich nun „veräppelt“, da man wegen der Teststrecke mit gut 200 Lastwagenfahrten pro Jahr zusätzlich rechnen könne, sagte Peter Schwan.

Aus den beiden südlichen Nachbarkommunen im Kreis Göppingen fällt das Echo unterschiedlich aus. Der Bürgermeister der Gemeinde Wangen, Daniel Frey, nannte es „ärgerlich und ungewöhnlich“, durch eine Presseanfrage von dem Projekt zu erfahren. Er werde sich nun brieflich an das Schorndorfer Rathaus wenden.

Matthias Wittlinger, Bürgermeister der Stadt Uhingen, sieht indes keine Probleme. Es gebe keine Betroffenheit der eigenen Gemarkung, zumal man über eine „leistungsfähige Landesstraße“ durch Uhingen-Holzhausen in Richtung Oberberken verfüge. Nicht zuletzt sei die Stadt ebenfalls Standort von Automobilzulieferern, sagt Wittlinger. Da zudem nur tagsüber mit Mehrverkehr zu rechnen sei, halte er das Projekt für unproblematisch.