Der erste Eindruck war dramatisch: Etwa 1000 junge Menschen hätten auf einem Volksfest in Schorndorf randaliert - so konnte man die erste Pressemitteilung der Polizei verstehen. Jetzt stellen die Behörden klar: Es war eine Gruppe von 100 Menschen.

Schorndorf - Die Polizei hat ihre ursprünglichen Angaben zu den Vorfällen auf dem Schorndorfer Volksfest korrigiert. Demnach stand in der Nacht zu Sonntag eine Gruppe von etwa 100 Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Polizei feindselig gegenüber, nicht 1000 Menschen. Aus dieser Gruppe von 100 Leuten mit „einem hohen Gewaltpotenzial“ habe es „massive Flaschenwürfe“ auf die Beamten gegeben. Dies teilte das Polizeipräsidium Aalen am Mittwochabend in einer „vorläufigen Bilanz zum Schorndorfer Straßenfest“ mit.

 

Darin heißt es weiter, die ursprüngliche Mitteilung vom Sonntag, dass sich 1000 junge Menschen versammelt hätten, habe zu der Fehlinterpretation geführt, dass diese gesamte Gruppe an den geschilderten Taten beteiligt gewesen sei. Zuvor hatte es bereits Wirbel um die Formulierung der Polizei gegeben, „bei einem großen Teil handelte es sich wohl um Personen mit Migrationshintergrund“. Der Schorndorfer Bürgermeister der Stadt, Matthias Klopfer (SPD), hatte später davon gesprochen, dass vor allem Schüler gefeiert hätten.

In der Polizei-Bilanz hieß es nun, dass sich am Rande des Festes am Samstagabend zwar etwa 1000 Menschen zum Feiern versammelt hätten. Als die Polizei nach Mitternacht einen 20-jährigen Deutschen nach einer Körperverletzung festnehmen wollte, habe sich dieser heftig gewehrt und rund 100 Menschen hätten sich solidarisiert, „überwiegend mit Migrationshintergrund“. Sie hätten versucht, die Einsatzkräfte „körperlich anzugehen“, danach sei es zu „massiven Flaschenwürfen“ gekommen, jedoch sei dank der Schutzkleidung kein Beamter verletzt worden.

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Insgesamt seien während des Volksfests „Schorndorfer Woche“ 53 Straftaten zur Anzeige gebracht worden, davon hätten sich 28 Delikte in der Nacht von Samstag auf Sonntag ereignet. Geprüft würden derzeit noch Aussagen von Zeugen, die Gruppen mit Messern und einer Schreckschusspistole in der Stadt gesehen haben wollen. 2016 seien 28 Straftaten im Festzeitraum erfasst worden.

Es habe neun Anzeigen wegen Sexualdelikten gegeben, bei drei Fällen habe sich der Anfangsverdacht jedoch nicht erhärtet. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelten noch in vier Fällen gegen Unbekannt sowie in zwei Fällen gegen bekannte Tatverdächtige wegen sexueller Belästigung. Drei Afghanen werden demnach verdächtigt, am Samstag eine 17-Jährige begrapscht zu haben. Ein Iraker soll am Freitag eine 25-Jährige belästigt haben. Die vier jungen Männer sind auf freiem Fuß.

Das Fest war am Dienstagabend zu Ende gegangen

Das Fest in der schwäbischen Stadt war am Dienstagabend zu Ende gegangen. Am letzten Abend war es ruhig geblieben. Die Polizei hatte nach den Vorfällen vom Wochenende ihre Präsenz verstärkt.

Das Polizeipräsidium Aalen hatte kurz vor dem Versand der „vorläufigen Bilanz“ angekündigt, an diesem Donnerstag über die Ermittlungen Auskunft geben zu wollen und auf Nachfragen zunächst keine konkreteren Angaben gemacht.

Unterdessen entbrannte eine Diskussion um die Folgen der Aufnahme von Flüchtlingen. CDU-Führungsmitglied Jens Spahn forderte eine ehrlichere Debatte über die Probleme der Integration in Deutschland: „Schorndorf ist nur ein Sinnbild dafür, was jeden Tag an vielen Orten in Deutschland passiert. Es wird immer klarer, wie groß die Aufgabe der Integration ist“, sagte Spahn der „Welt“ (Mittwoch). Jeden Tag könne man in Regionalzeitungen von Übergriffen auf Frauen lesen: „Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Zu viele sind der Meinung: Jede andere Kultur ist per se eine Bereicherung.“

SPD-Vize Ralf Stegner meldete über Twitter, er empfinde auch nicht jeden Beitrag „vom Stahlhelmflügel der Union“ als Bereicherung. Applaus für Spahn gab es hingegen von der AfD. „Es ist erfrischend, dass just Sie diese Positionen erwähnen, denn kämen sie von mir, würden sie höchstwahrscheinlich als rechtsradikal abgetan werden“, schrieb AfD-Vize Alexander Gauland am Mittwoch in einem Offenen Brief an Spahn.