Der Altpunker Schorsch Kamerun inszeniert auf dem Stuttgart-21-Gelände eine kunterbunte, dystopisch-poetische Großstadtbaustellentheatersinfonie: „Motor City Super Stuttgart“

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Rosa-blau-orangener Stuttgarter Spätsommerabendhimmel, wie gemalt. Zweihundert Menschen am Bauzaun neben dem Bahnhofsturm, und der Regisseur, Textproduzent und Komponist des Abends, Schorsch Kamerun, holt das Publikum (restlos ausverkaufte Grube) persönlich ab. Man hört seine unverwechselbare, immer leicht fiebrig und animierend klingende Stimme über zuvor ausgeteilte Kopfhörer. Es ist also gleichzeitig von nun an jeder hier irgendwie sehr bei sich und doch Teil der Gruppe. Nebeneinander her geht es, treppauf, treppab, in die Tiefe und auf den Bauabschnitt 16 unter die verhängten Kelchstützen. Man riecht den frischen Beton, tappt über sandigen Boden und hat bereits den Klang der Stuttgarter Philharmoniker unter der sehr umsichtigen Dirigentin Viktoriia Vitrenko im Ohr: leicht verfremdeter Marschrhythmus, mäßiges Tempo. Die Philharmoniker spielen unter dem einen Kelch, die Gäste der Performance nehmen unter dem anderen Platz. Wolldecken liegen bereit, und man wird sie noch brauchen.