Noch im März hat Reinhold Würth an die Beschäftigten appelliert, nicht die AfD zu wählen. Späteren Aussagen zufolge hat sein fünfseitiger Rundbrief das Unternehmen rund 1,5 Millionen Euro an Umsatz gekostet, weil Kunden angekündigt hätten, „nichts mehr bei Würth zu kaufen“. Den Effekt auf die Wahlentscheidung der 25 000 Mitarbeitenden in Deutschland lässt sich nicht bemessen. In jedem Fall konnte Würth nicht verhindern, dass die AfD im Wahlkreis Künzelsau (Hohenlohekreis) bei der Europawahl mit 20,6 Prozent mehr Stimmen als auf Landesebene (14,7) geholt hat und mit plus 9,1 Prozentpunkten größter Gewinner war.
„Dann müssen wir schon vorsichtig sein als Kaufleute“
Nun will der 89-Jährige, der als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates noch die Geschicke der Gruppe mitbestimmt, offenbar Konsequenzen ziehen: „Wenn dieser Trend anhält jetzt, 20 Prozent, dann müssen wir vorsichtig sein als Kaufleute, wo und wie wir investieren“, sagte er dem Deutschlandfunk. Dies sei „schon eine gewisse Wegmarke auch für das Unternehmen Würth“. Nun „werden wir in aller Ruhe analysieren und überlegen, ob wir überhaupt weitere Investitionen in größerem Umfang hier in Deutschland machen werden oder ob wir die gleich irgendwo in ein anderes Land verlegen“.
Zur Begründung führt der Firmenpatriarch insbesondere die Forderungen aus der AfD nach einer sogenannten Remigration – also der Rückführung von Migranten – an: „Wir hätten Riesenprobleme, wenn wir unsere Mitarbeiter, die Ausländer sind, nicht hätten“, warnt er. „Ich schätze mal, dass 30 Prozent unserer Mitarbeiter ursprünglich aus anderen Ländern stammen – wenn die weg wären, wäre das doch eine Katastrophe.“
Einer Umfrage des arbeitgebernahen Wirtschaftsinstituts IW in Köln unter rund 900 Unternehmen zufolge hatten sich mehr als 47 Prozent der deutschen Unternehmen öffentlich gegen die AfD starkgemacht. Und fast 55 Prozent bekannten, sich betriebsintern gegen die AfD positioniert zu haben.
Vor allem die Sorge um den Bestand der EU und des Euros treibt die Unternehmen um. 69 Prozent befürchteten zudem, dass die AfD dem deutschen Standort schaden könnte. Und 63 Prozent sahen den Zusammenhalt in Belegschaften durch die Partei in Gefahr. Würth trifft zudem den Nerv einer Debatte über die Verlagerung von Neuinvestitionen deutscher Betriebe ins Ausland. Einer aktuellen Südwestmetall-Erhebung zufolge sagen 41 Prozent der Unternehmen voraus, dass sie den nächsten fünf Jahren ihre Investitionen noch mehr in Richtung Ausland verschieben werden, während lediglich 16 Prozent mehr im Inland investieren wollen.
Würth verstärkt die Sorge vor zunehmenden Verlagerungen
Auch die Stuttgarter Managementberatung Horváth hat gerade eine Studie veröffentlicht. Deren Industrieexperte Ralf Sauter betont: „Industriekonzerne mit Hauptstandort in Deutschland investieren zwar noch immer etwa 50 Prozent ihrer Kapitalaufwendungen hier, für Ersatz und neue Produktionen. Doch das bedeutet auch: Die Hälfte der Investitionen fließt ins Ausland, und zwar die Wachstumsinvestitionen.“ Ein starker Fokus der Produzenten liege auf den USA, China und Indien. Deutschland sei „das einzige Land, in dem die Unternehmen unterm Strich einen Abbau der Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jahren planen“.