600 Männer waren im KZ-Außenlager eingesperrt, 119 ließen dort oder auf an einer ihrer Zwangs-Arbeitsstätten ihr Leben. Neben der Gedenkstätte am Flughafen, erinnert künftig auch ein Schild am ehemaligen Steinbruch in Leinfelden an das Leiden jüdischer Zwangsarbeiter. Der örtlichen SPD ist das zu wenig.

Leinfelden-Echterdingen - Sie mussten in den Steinbrüchen von Bernhausen, Leinfelden und Plieningen schuften. Sie besserten die Bombenschäden an der Start-, und Landebahn des Flughafens aus. Sie halfen beim Bau der Verbindungsstraße zwischen dem Airport und der Autobahn aus. Die Rede ist von 600 Männern jüdischer Herkunft, die im Winter 1944/45 im KZ-Außenlager Echterdingen-Bernhausen gefangen waren. 119 von ihnen ließen in diesem Lager oder auf einen der Baustellen ihr Leben.

 

Die Gedenkstätte „Wege der Erinnerung“ nahe des US-Airfield erinnert seit Juni 2010 an das Schicksal dieser Menschen. Auf dem Echterdinger Friedhof symbolisiert eine zerbrochene Steinplatte ihr Leiden. Nun will die Stadt Leinfelden-Echterdingen eine Informationstafel direkt am ehemaligen Steinbruch in Leinfelden aufstellen – auf einer öffentlichen Grünfläche am Eck Brahmsweg/Wagnerstraße – und damit an einem Ort, wie Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell sagt, an dem die Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Diese Mahntafel könnte Bestandteil eines geschichtlichen Lehrpfades durch Leinfelden werden. Ihre Kosten werden auf 1000 Euro geschätzt.

Die Kommune reagiert damit auf einen Antrag, den die örtlichen Sozialdemokraten in den Beratungen zum Haushalt 2020, aber längst nicht zum ersten Mal, gestellt hatten. Allerdings hatte die SPD-Fraktion, allen voran Barbara Sinner-Bartels, sich in dieser Sache deutlich mehr vorgestellt. Was die Stadträtin in einer kommunalpolitischen Sitzung dann auch sehr deutlich gemacht hat. Unterstützung bekam sie dabei seitens der Grünen, der Linken und der L.E. Bürger.

Die Wege der Häftlinge nachzeichnen

Die Idee war vielmehr, die Wege mit Hinweistafeln im Flecken nachzuzeichnen, welche die Häftlinge des Außenlagers des KZ Natzweiler, damals jeden Tag aufs Neue, trotz Hunger und totaler Erschöpfung zu bewältigen hatten. Ähnlich der Aktion Stolpersteine, die es deutschlandweit gibt.

Die Männer wurden gezwungen zu Fuß von ihrer Schlafstätte in einem Hangar am Flughafen zu ihren Zwangs-Arbeitsstätten zu laufen. Bewohner der Filder, die vor etwas mehr als 75 Jahren selbst Not litten, haben den jüdischen Gefangenen Äpfel und Brot an den Straßenrand gelegt und damit gegen damals geltendes Recht verstoßen. Sie haben „Mitmenschlichkeit und Zivilcourage gezeigt“, sagt Sinner-Bartels. Gerade in der heutigen Zeit, in der Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz wieder in Mode kommen, gelte es die Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit in den Alltag der heutigen Menschen zu tragen, argumentiert sie. Ein solches Schild in Leinfelden könne deshalb nur „ein erster Schritt sein, dem etliche weitere folgen müssen“.

Sich gegen das Vergessen stemmen

Seit mehr als zwei Jahren macht die Sozialdemokratin in dieser Angelegenheit Druck. Ihre Motivation dahinter: Sie hat gute Freunde in Israel, befasst sich seit ihrer Kindheit intensiv mit der NS-Zeit. Sie sitzt im Stiftungsrat der Gedenkstiftung, die L.-E. mit Filderstadt gegründet hat. Wenn sie Ende des Jahres in Ruhestand geht, hat sie sich vorgenommen, sich noch intensiver gegen das Vergessen zu stemmen.

Im Winter 1944/45 liefen die Häftlinge also mitten durch Bernhausen, Echterdingen und Leinfelden. Weil diese Wege aber nicht immer gleich verliefen, wie Jürgen Helmbrecht vom Stadtarchiv in der Sitzung ausführte, könne eine Beschilderung derselben „berechtigte, sachliche Kritik“ hervorrufen. Die Nachbarkommune Filderstadt habe aus diesem Grund Abstand von dieser Idee genommen. In L.-E. sollte es zunächst bei einer Tafel am ehemaligen Leinfelder Steinbruch bleiben.

Mittlerweile zeigt sich Bürgermeister Kalbfell offen für „einen zweiten Suchlauf“ und „weitere Ideen“. Er sagt: „Ich finde es gut, wenn sich Menschen für eine Sache so stark engagieren.“ Möglicherweise werden im Stadtgebiet von L.-E. also doch noch weitere Erinnerungstafeln aufgestellt. Laut Kalbfell müssten dafür aber würdige Standorte gefunden werden. Beispielsweise Orte, an denen Menschen den Zwangsarbeitern Lebensmittel an den Straßenrand gelegt haben. Er wolle keine weitere Tafel zwischen der Lamm-Kreuzung und einem Zigarettenautomat. Auch Privatmenschen müssten bereit sein, auf ihrem Grundstück ein solches Schild von der Stadt aufzustellen zu lassen.