Der Urlaub in Ägypten endet für eine Familie aus Murr mit einer gefühlten Katastrophe: Schreckliche Geräusche des Fliegers während der Heimreise lösen bei ihr Todesangst aus. Die Fluggesellschaft sagt jedoch, es bestand kein Grund zur Sorge.

Murr - Es fällt mir immer noch schwer darüber zu reden, aber ich möchte, dass es an die Öffentlichkeit kommt“, sagt Marzena Pereira Meireles. Die Frau aus Murr im Kreis Ludwigsburg hat ein Erlebnis zu verdauen, das sie selbst als traumatisch bezeichnet. Die Geschichte, die sie und ihre ganze Familie erlebt hat und bis heute nicht loslässt, ereignete sich am letzten Tag ihres Urlaubs. Auf dem Rückflug.

 

Marzena Pereira Meireles war mit ihrem Mann, ihrer Tochter und deren Freund verreist. Mit der Fluggesellschaft Condor ging es am 15. August zurück von Hurghada nach Stuttgart – ein Flug, der zum Höllentrip für Marzena Pereira Meireles wurde. „Der Flug hatte Verspätung und der Freund meiner Tochter, der Flugangst hatte, wurde schon unruhig, aber wir haben ihm gesagt, dass das häufig passiert und kein Grund zur Beunruhigung besteht“, erzählt die Frau, die in Murr lebt. Dann kam jedoch alles ganz anders.

Zigaretten und Alkohol während des Flugs

Die Familie hatte Plätze auf Höhe der rechten Tragfläche. „Über Zagreb haben wir sehr laute Geräusche gehört, die sich anhörten, als würden wir beschossen“, sagt Marzena Pereira Meireles. Dann habe ein Passagier, der auf der linken Seite des Flugzeugs auch auf Höhe der Tragfläche saß, gerufen: „Feuer“. Eine Flugbegleiterin sei herbeigeeilt, habe raus geschaut, die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen und angefangen zu weinen.

Das habe zu Panik bei den Passagieren rundherum geführt, sagt Marzena Pereira Meireles. „Wir hatten Todesangst“, erzählt die Frau, der bei der Schilderung der Ereignisse auch fast vier Wochen später noch die Tränen kommen. Nach dem Schock folgte eine lange Zeit der Ungewissheit. Schließlich haben ein männlicher Flugbegleiter erklärt, dass die Piloten eine Checkliste durchgingen, um das Problem zu finden. Wirklich beruhigend habe das nicht gewirkt, zumal die zuvor weinende Flugbegleiterin nun in einer Ecke eine Zigarette geraucht habe. Auch dass plötzlich kostenlos Alkohol ausgeschenkt wurde, werteten die Passagiere als fatales Zeichen.

Die Passagiere haben Todesangst

„Als dann die Stadtlichter immer weiter wegrückten habe ich gedacht, die lassen uns jetzt über unbewohntem Gebiet crashen“, erzählt Marzena Pereira Meireles. Andere Fluggäste hätten eine sofortige Notlandung gefordert, dem sei aber nicht entsprochen worden. Stattdessen habe es geheißen, man versuche nach Deutschland zu kommen. Laut Marzena Pereira Meireles sei man in Schräglage mit nur einem Triebwerk weitergeflogen.

„Wir hatten alle Todesangst. Der Freund meiner Tochter wollte seine Eltern anrufen, um sich zu verabschieden. Eine junge Frau neben mir hat mir erzählt, dass sie zwei kleine Kinder zu Hause habe, die nun wohl zu Vollwaisen würden. Wir haben uns einfach an den Händen gehalten, wildfremde Menschen“, schildert Marzena Pereira Meireles.

Ohne Psychologe geht es nicht mehr

Zwei Stunden habe der Flug in diesem Zustand gedauert, und beim Anflug auf Stuttgart habe es erneut Schläge getan, heftiger als über Zagreb. Nach der Landung, so Marzena Pereira Meireles, mussten die Passagiere eine halbe Stunde im Flugzeug verharren. „Wir wollten nur raus und konnten nicht verstehen, warum wir das nicht durften. Wir hatten Angst, dass das Flugzeug explodiert“, sagt sie.

Marzena Pereira Meireles kommt schließlich unversehrt zuhause an, aber besser geht es ihr nicht. „Wir sind alle vier noch traumatisiert, und das Schlimmste ist, dass Condor sich gar nicht rührt“, sagt die Frau, die sie sich nicht einmal mehrtraut, Auto zu fahren. Inzwischen hat sie einen Termin bei einem Psychotherapeuten bekommen. „Eigentlich bin ich nicht der Typ Mensch, der zum Psychologen geht, weil ich alles gerne mit mir selbst und meiner Familie ausmache“, sagt Marzena Pereira Meireles. „Aber das kriegen wir ohne Hilfe nicht hin.“ Die seelische Traumatisierung wirke sich auch auf den Körper aus. Die ganze Familie leide seither unter Durchfall.

Unbegreiflich erscheint ihr auch, dass über den Vorfall nicht berichtet worden ist. Nicht nur, dass es direkt am Flughafen keine Betreuung gegeben habe. Auch auf spätere Nachfragen habe Condor nicht reagiert. Offenbar wird das, was sich am 15. August während des Flugs DE 217 zugetragen hat, unterschiedlich bewertet.

Kein Grund zur Sorge, sagt die Fluggesellschaft

Nach Auskunft des Stuttgarter Flughafens liegen zu dem Flug keine besonderen Erkenntnisse vor. Das einzig Besondere, erklärt eine Sprecherin, war, dass für die Landung eine Ausnahmegenehmigung von den Nachtflugbeschränkungen erteilt worden sei. Auch der Deutschen Flugsicherung, zuständig für Vorfälle im deutschen Luftraum, liegen keine Meldungen zu Flug DE 217 vor. „Der Pilot hat weder einen Notfall noch technische Schwierigkeiten an die Flugsicherung gemeldet“, sagt die Sprecherin Ute Otterbein auf Nachfrage unserer Zeitung. Allerdings sei es auch nicht verpflichtend, technische Probleme zu melden.

Auf Nachfrage unserer Zeitung meldet sich schließlich auch Condor zu Wort. Tatsächlich, erklärt die Sprecherin Magdalena Hauser, habe die Crew auf dem Flug von Hurghada nach Stuttgart eine leichte Vibration an einem der beiden Triebwerke festgestellt. Aber Anlass zur Sorge sei das keiner gewesen. Gemäß der geltenden Verfahren sei rein vorsorglich die Leistung des Triebwerks reduziert und der Flug „ganz normal“ fortgesetzt worden. Zu keinem Zeitpunkt, betont Condor, habe eine Gefahr für die Gäste oder die Crewmitglieder bestanden. „Sicherheit hat in der Luftfahrt zu jedem Zeitpunkt höchste Priorität und unsere Crews sind auf diese Verfahren geschult.“

Das Marzena Pereira Meireles und ihre Familie sich an Bord unwohl gefühlt habe, bedauert die Fluggesellschaft gleichwohl „außerordentlich“.

Marzena Pereira Meireles hilft das wahrscheinlich nichts mehr. Für Ende des Jahres wieder war eigentlich ein Besuch bei der Familie ihres Mannes in Portugal geplant. Den hat sie inzwischen aber abgesagt. „Ich glaube nicht, dass wir noch einmal fliegen.“