Seit 35 Jahren kürt der Kreisseniorenrat kreative Schreiber in einem Wettbewerb. Die jüngste Auflage brachte anrührende Kurzgeschichten hervor.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

„We all live in a Yellow Submarine“, sang Getraut de Otero am Anfang der Lesung ihres Beitrags. Dieser Klassiker der Beatles hatte in der Geschichte der 72-Jährigen eine ernste, lebenswichtige Bedeutung: Sein Rhythmus diente der Protagonistin als Hilfe bei einer letztlich erfolgreichen Herz-Lungen-Massage einer unbekannten Frau, die im Park zusammengebrochen war. So zog die Vaihingerin das Publikum im Großen Sitzungssaal des Landratsamts am vergangenen Freitag schon gleich zu Beginn in ihren Bann.

 

De Otero eröffnete die 35. Auflage des Schreibwettbewerbs des Kreisseniorenrats. „Wir konnten in diesem Jahr 65 Beiträge von 55 Autoren zählen, vier davon waren bereits über 90 Jahre alt“, sagte Peter Renelt vom Seniorenrat in seiner ausführlichen Begrüßung. Er organisiert den Wettbewerb federführend. Das Alter der Einsenderinnen und Einsender bewege sich zwischen 31 und 97 Jahren, was ein toller Erfolg sei. Auch wenn er sich in Zukunft etwas mehr Beiträge von jüngeren Teilnehmern wünsche, sagt Renelt.

Doch Ehre, wem Ehre gebührt, und es war ihm eine Ehre, die Alterspräsidentin des Wettbewerbs auf die Bühne zu bitten: Johanna Schmid aus Sindelfingen nahm den Sonderpreis im rüstigen Alter von 97 Jahren entgegen. In ihrem ergreifenden Beitrag schrieb die Seniorin über ihren Kriegshilfsdienst in Hehrsfeld bei Eisenach im Jahr 1944: Mit einer List gelang es ihr, sich selbst und 15 andere Maiden in den letzten Kriegstagen die mehr als ungewisse Zukunft in einem Kriegsdienstlager zu ersparen.

Kulinarische Versuche entpuppen sich als Irrweg

Unterstützung für den Wettbewerb kommt von Beginn an von der Kreissparkasse Böblingen, die ein ganzes Dutzend der Preise stiftet. „In diesem Jahr stand der Wettbewerb ja unter dem Motto ‚Einen Versuch war’s wert’ – und da hätte ich auch eine Geschichte schreiben können“, sagte KSK-Marketingleiter Daniel Wengenroth. Als Rom-Urlauber habe er einst einen kulinarischen Versuch mit sauren Kutteln auf italienisch gewagt – und umgehend bereut. Er freute sich über die vielen Teilnehmer und sicherte dem Wettbewerb seine weitere Unterstützung zu.

Alterspräsidentin Johanna Schmid Foto: Eibner/Roger Bürke

Traditionell steuern die Zeitungen im Kreis Böblingen je einen Sonderpreis zum Wettbewerb bei, die Chefredakteure sitzen auch in der Jury und unterstützen bei der Bewertung der Beiträge. Unsere Zeitung wählte den Text von Heinrich Düllmann aus Holzgerlingen für Geldgeschenk und Blumenstrauß aus. Der 76-Jährige schrieb über einen jungen Lehrling in einer Weinhandlung, der nicht widerstehen kann – und heimlich drei edle Tropfen mitgehen lässt. Doch nach heftigen Gewissensbissen entschließt sich der Protagonist der Kurzgeschichte, sich seinem Vorgesetzten zu stellen und die Flaschen wieder zurückzugeben. Glück im Unglück: Der verpfeift ihn nicht und der junge Mann kann seine Lehrstelle behalten. Unnötig zu erwähnen, dass Düllmann zum Sonderpreis noch eine Flasche Wein geschenkt bekam – ganz legal und offiziell.

Die musikalische Begleitung kam von drei jungen Männern, die die Lesungen und Preisübergaben gekonnt bereicherten. Den Anfang machte der zwölfjährige Geiger Adrian Bayer mit dem Stück „Si Senor“ von Aleksey Igudesman. Es folgte Albert Steiger am Akkordeon mit „Toccata und Fuge“ von George Barton – ebenfalls hochkarätig für seine zwölf Jahre. Der dritte im Bunde war der zehnjährige Andrey Stempkovsky mit einer Gitarrenversion von „Bolero“ und der „Ballade“ von Nikita Koshkin.

In Summe verliehen der Kreisseniorenrat, die Kreissparkasse und die vier Zeitungen 21 Preise an besonders begabte Einsender. Außerdem erschienen viele der Beiträge in einer aufwendig produzierten Broschüre.

Im kommenden Jahr ist die 36. Auflage des Schreibwettbewerbs geplant. Das Motto für 2025: Herzenswünsche.