New York hat seine Canal Street, Stuttgart seine kleine Kanalstraße. Kürzer könnte sie nicht sein. Nicht kürzer und nicht duftender. „Das ist der Rostbraten.“ Und die Antwort auf die Frage, wonach es abends so wunderbar im dritten Stock des Schriftstellerhauses riecht, wenn die Fenster zur Straße geöffnet sind: „Nach Rostbraten und Röstkartoffeln von der Kiste. So heißt die Weinstube.“ Und so schreibe ich jetzt hier im dritten Stock im Duft vom Rostbraten an einer Geschichte, in der es um Hunger geht. Die Hauptfigur unserer neuen Graphic Novel, an der ich mit dem Zeichner Jaromír 99 arbeite, ist der böhmische Polarforscher und Abenteurer Eskymo, der wirklich mal in Alaska gelebt hat. Ein Western soll es werden. Wir schicken ihn als einen alten kranken Mann auf seine letzte Expedition in den Norden. Nur mühsam kämpft er sich durch den vielen Schnee, durch Sturm und Eis. Bald sind auch seine Vorräte alle. Und er hungert.

 
Foto: Foto Brigitte Friedrich
Das Schreiben an der Geschichte geht gut voran, obwohl es nicht immer leicht ist, sich hier auf die Arbeit zu konzentrieren. Kann das sein, dass der Rostbraten duftet, auch wenn die Fenster zu sind? Hunger. Lust. Hunger. Es ist nicht auszuhalten. Ich klappe den Computer zu und mache mich auf zur Kiste. „Einen Rostbraten, bitte.“ Wer weiß, vielleicht wird der gute Rostbraten auch Thema unseres Graphic-Novel-Workshops sein, den ich zusammen mit Jaromír 99 Anfang November im Schriftstellerhaus geben werde. Bis dahin muss ich mit der Geschichte über Eskymo und seinem Hunger fertig sein. Denn Jaromír 99 möchte im Dezember anfangen zu zeichnen. Bevor er nach New York geht.

Jaroslav Rudiš Zur Zeit Stipendiat. Am 25. September liest er in der Stuttgarter Kulturgemeinschaft aus seinem Roman „Die Stille in Prag”.