Seit Montag dürfen wieder alle Kinder in die Schule – allerdings nicht alle auf einmal. Nicht nur die Kleinen freuen sich über den persönlichen Kontakt zum Lehrer und den Mitschülern, die Freude ist auch bei den Pädagogogen. Manche Eltern sind nicht so begeistert.

Stuttgart - Kein Quengeln, kein Trödeln, nichts: „Sie ist morgens ruckzuck aufgestanden, hat sich ruckzuck angezogen, gefrühstückt“, berichtet der Vater einer Erstklässlerin aus dem Stuttgarter Süden. Die Rede ist vom ersten Schultag nach den Pfingstferien, der für viele Kinder zugleich der erste Schultag seit drei Monaten ist. Denn erstmals seit dem Lockdown wegen der Corona-Pandemie dürfen auch Schüler unterhalb der Abschlussklassen und in allen Schularten wieder in den Präsenzunterricht – allerdings wegen der weiterhin bestehenden Abstands- und Hygieneregeln nicht alle auf einmal.

 

Damit das klappt, haben sich die Schulen je nach Kapazität von Lehrern und Räumen unterschiedliche rollierende Systeme ausgedacht. Für die Erstklässlerin hieß das am Montag: Unterricht von 7.45 bis 10 Uhr. Verwirrung sei allerdings entstanden, weil der Unterricht nicht von der vertrauten Klassenlehrerin erteilt wurde, sondern von einer Fachlehrerin. Und die Siebenjährige werde bis September wohl nur die Hälfte ihrer Klasse wiedersehen, da wegen des Abstandsgebots die Klasse geteilt wurde, berichtet der Papa. Er hat vom Fernunterricht genug und findet es „gut, dass wieder Fachpersonal den Unterricht übernimmt“. Allerdings: „Man könnte auch mehr Unterricht anbieten“, findet er. Denn so ein kurzer Unterricht bedeute Stress für die Eltern, die die Kleine bringen und holen müssten.

Die Zeit zuhause hat Kinder selbstständiger gemacht

Einen positiven Effekt habe der Lockdown jedoch gehabt: „Unsere Kinder gehen jetzt allein zur Jugendfarm, spielen mit den Nachbarskindern hinter dem Haus, das war vorher nicht so“, berichtet er. Besonders gut getan habe es seinem Sohn in der vierten Klasse, dass die Klassenlehrerin mal daheim vorbeigeschaut habe.

An der Grund- und Werkrealschule Ostheim hat man sich für die teils halbierten, teils gedrittelten Klassen einen ausgetüftelten Schichtbetrieb ausgedacht, mit versetzten Anfangszeiten – und einem besonderen Augenmerk auf die Erstklässler: „Unsere Einserle brauchen mehr Zuwendung“, sagt die Schulleiterin Claudia Neulinger. Deshalb erhielten sie im Unterschied zu den anderen Klassenstufen keinen wöchentlich rollierenden Wechsel zwischen Präsenz- und Fernunterricht, sondern hätten nun jede Woche Schule, und zwar montags, mittwochs und freitags je zwei Schulstunden – „auch wegen der Hausaufgaben, das entlastet die Elternhäuser“.

Möglich sei dies aber nur, weil die ersten Klassen ohnehin an die Berger Schule ausgelagert seien. Auch für die anderen Klassen gelte, dass alle Kinder wieder in „ihr“ Klassenzimmer dürften, allerdings zeitversetzt. Für die anderen Klassen finde auch noch der Fernunterricht statt – während der Fernlernwoche bestellten die Kollegen aber einzelne Kinder in die Schule zur Förderung ein.

Lehrer sind in Sorge vor einer zweiten Coronawelle

Claudia Neulinger berichtet, dass viele Eltern es nicht wahrhaben wollten, dass nur so wenig Unterricht stattfinde: zehn Zeitstunden pro Woche seien es in der Grundschule. Entsprechend mehr Anmeldungen gebe es bei der Notbetreuung durch das Schülerhaus St. Josef. „Die schmeißen den Laden“, so Neulinger. Und ihre Kollegen seien „froh, wieder hier zu sein – und dass sie ihre Schüler wieder da haben“. Dennoch sei es „eine belastende Situation für alle – die Sorge vor einer zweiten Coronawelle ist schon spürbar“. Auch das Personal ist knapp: Wegen der Hauptschulabschlussprüfung am Dienstag habe man alle anderen Werkrealschüler gar nicht erst einbestellt – „weil wir die Kollegen für die Aufsicht brauchen“.

Auch an der Schlossrealschule im Westen verfolgt man die Devise, „so viele Schüler wie nur möglich reinzuholen – alles, was geht“, sagt Schulleiterin Barbara Koterbicki. Durch die Außenstelle habe man Spielraum. Die Klassen habe man gedrittelt, alle blieben in den Klassenzimmern, nur die Lehrer wechselten. Die Fünft- und Sechstklässler hätten wöchentlich acht Stunden, kämen jede Woche, jeweils dienstags/donnerstags oder montags/mittwochs. „Wir versuchen den Fernunterricht durch Wochenpläne zu ersetzen“, berichtet Koterbicki. Bei den älteren Schülern kämen zu den Hauptfächern am Vormittag die Wahlpflichtfächer am Nachmittag dazu, etwa Technik oder Französisch. Und freitags biete man zusätzliche Förderung für die Sorgenkinder. An ihrer Schule hätten sich alle über die Rückkehr gefreut, Schüler wie Kollegen. Aber: „Bei der Hygiene haben wir nicht nachgelassen“, betont Koterbicki.

Bei manchen Eltern ist der Respekt vor den Pädagogen gewachsen

Auch wenn es manchen berufstätigen Eltern stinkt, dass sie weiterhin Mittagessen kochen müssen, weil der Ganztag ausfällt, sei es doch „wahnsinnig wichtig, dass wieder eine Struktur ins Dasein kommt, dass Schluss ist mit diesem unstrukturierten langen Schlafen“, meint der Vater eines Drittklässlers. Bei einem anderen Papa mit Kindern im Alter von acht, elf und 14 ist „der Respekt vor den Lehrern schon gewachsen“. Auch davor, in welchem Tempo diese sich auf die neue Situation durch Corona eingestellt hätten. Denn es sei „ganz schön schwer, den Kindern das Lernen zu vermitteln“.

So geht es mit Grundschulen und Kitas weiter

Laut Kultusministerium sollen die Grundschulen und Kitas „ab Ende Juni wieder vollständig öffnen können“. Dies teilte die Behörde am 12. Juni per Pressemitteilung mit. Eine von der Landesregierung bei der Uniklinik Heidelberg in Auftrag gegeben Studie belege, „dass Kinder nicht nur seltener an Corona erkranken, sondern sich auch seltener mit dem Virus infizieren als Erwachsene“. Somit könne man bei Kindern bis zu zehn Jahren „auf die Abstandsgebote verzichten, sodass ein Unterricht und eine Betreuung in einem Regelbetrieb möglich ist“, so Kultusministerin Susanne Eisenmann. In Stuttgart haben die Schulen darüber „noch keine Information“, sagte ein Schulleiter. Dort plant man bisher weiter den rollierenden Betrieb mit Abstandsregeln.