Die Württembergische Landesbühne Esslingen wagt eine Umsetzung des Erfolgsfilms „Schtonk!“ von Helmut Dietl. Marcus Grubes Inszenierung zeigt Freude an der Übertreibung, verzichtet aber auf Faxen und Grimassen. In dieser Form darf man auch über Hitler Witze machen.

Esslingen - Zur Zeit seiner Entstehung war “Schtonk!“ der kostspieligste Film der deutschen Nachkriegsgeschichte und wurde 1992 auch einer der erfolgreichsten. Aber war er auch künstlerisch bedeutend? Kaum jemand käme auf die Idee, einen Film von Alexander Kluge, Wim Wenders oder Werner Herzog für die Bühne zu bearbeiten. Wahrscheinlich muss ein Film unfilmisch, also mittelmäßig sein, um ohne Verlust in die Sprache des Theaters übersetzt werden zu können. Die bloße Story lässt sich am ehesten übertragen. Bleibt der Vergleich mit den Darstellern. Da ist die Württembergische Landesbühne Esslingen (WLB) ein Risiko eingegangen, als sie ihren Chefdramaturgen und Regisseur Marcus Grube mit einer Bühnenfassung beauftragte. Denn Helmut Dietls „Schtonk!“ von 1992 konnte mit einer ganzen Riege namhafter Schauspieler aufwarten, deren Beliebtheit schon die halbe Miete war.

 

Der Titel ist übrigens der Rede von Anton Hynkel aus Chaplins „Großem Diktator“ entnommen, dem neben Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ überzeugendsten Beweis, dass Satire über Hitler machbar ist. In „Schtonk!“ allerdings geht es nicht um Hitler selbst, sondern um die Faszination, die er noch vier Jahrzehnte nach seinem Tod auf viele ausübte und die jene wahre Geschichte, die unter dem Stichwort „Hitler-Tagebücher-Affäre“ in die Annalen eingegangen ist, überhaupt erst möglich machte. Ihr „Held“, der Fälscher Konrad Kujau, ist mittlerweile tot, seine Abnehmer, die Zeitschrift „Stern“ und deren Redakteur Gerd Heidemann, haben die Blamage überlebt.

Eulenspiegel und die Leichtgläubigen

Der Film musste nicht viel hinzuerfinden, um die Realität ins Komische zu wenden. Das Schema des betrogenen Betrügers, der von einem Eulenspiegel an der Nase herumgeführten Leichtgläubigen ist in den Vorgängen um die gefälschten Tagebücher, auf Grund derer „die Geschichte des Dritten Reiches teilweise umgeschrieben werden“ müsse – so der damalige Chefredakteur des „Stern“, Peter Koch –, vorgegeben.

Nun also, einmal mehr, das Bühnenstück zum Film. Der Einsatz hat sich gelohnt. Herausgekommen ist ein vergnüglicher Theaterabend, der bei der ausverkauften Premiere nicht nur von dem obligatorischen Bravo-Rufer in der ersten Reihe mit viel Beifall aufgenommen wurde. Die Bewährungsprobe wurde souverän bestanden. Martin Theuer als der Bilder- und Tagebuchfälscher Fritz Knobel und Oliver Moumouris als der ehrgeizige Göring-Verehrer Hermann Willié geben der Komödie, was der Komödie ist. Sie übertreiben, verzichten aber – und dafür darf man ihnen und der Regie von Marcus Grube dankbar sein – auf Faxen und Grimassen. Theuer verfällt beim Schreiben der Tagebücher in Hitlers Tonfall und Artikulation, reizt den komischen Effekt jedoch nicht aus. Ins Groteske, das an Georg Kreislers Lied vom „Onkel Fritz“ erinnert, changiert die Handlung, wenn Hermann Willié zwei Löffel von der angeblichen Asche der „auf ewig vereinten“ Eva Braun und Adolf Hitlers erbettelt und später schnupft.

Knappe Szenen wie im Film

Das Stück besteht aus sehr kurzen Szenen, die man für eine Reminiszenz an die filmische Herkunft halten könnte, wenn es nicht schon lange vor der Erfindung des Films, bei Shakespeare oder bei Büchner, rasche Szenenwechsel gegeben hätte. Für diese eher verknappten als ausgewalzten Szenen hat Frank Chamier eine Simultanbühne eingerichtet, auf der man rechts Fritz Knobels Wohnung und Atelier, links einen Tisch mit Gartenstühlen sieht. Im Hintergrund führen zwei Treppen zu einer Galerie, die als zusätzliche Spielfläche genutzt wird. Musik, bedeutungsschwanger wie schon im Film, und ein paar angedeutete Tangoschritte dienen als Kitt zwischen den Auftritten. Hinzu kommen, ziemlich unvermittelt, nicht sehr professionelle Revue-Elemente. Das können sie oben im SI-Centrum besser. Aber das Publikum spendet Szenenapplaus.

Eine Erkenntnis hinter der Komödienfassade ist diese: Es gibt keinen neutralen Journalismus. Wer Wahlen, bei denen es um den Fortbestand oder die Abschaffung der Demokratie geht, mit den Worten „Es wird spannend“ ankündigt, als handle es sich um einen Krimi, hat sich schon an der Abschaffung beteiligt. Und wer kontinuierlich Öffentlichkeit herstellt für Personen oder Ereignisse, erzeugt, gewollt oder ungewollt, für sie Sympathie. Hermann Willié will sich mit den angeblichen Hitler-Tagebüchern bereichern. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. „Schtonk!“ zeigt, darin sehr nahe an der verbürgten Wahrheit, seine Nähe zum nationalsozialistischen Milieu. In Esslingen klettert er am Schluss durch die Reihen im Zuschauerraum und sucht nach dem Mann mit dem kleinen schwarzen Schnurrbart.

Weitere Aufführungen am 17. und 20. Februar 2018