Christian Friedrich Daniel Schubart lebte nur sechs Jahre lang in Geislingen. Doch er hat den Boden für die Entfaltung des kulturellen Lebens in der Stadt bereitet.

Geislingen - Als Stürmer und Dränger ist er auf einem Gemälde inszeniert, das in Großformat als Reproduktion im Alten Bau in Geislingen zu sehen ist: Christian Friedrich Daniel Schubart. Nur sechs Jahre lang wirkte er in der Stadt am Fuß der Schwäbischen Alb. Doch er hat dort Spuren hinterlassen – bis heute, wie Hartmut Gruber findet. Der Stadtarchivar hat sich für die Weihnachtsausstellung, die traditionell nichts mit Weihnachten, dafür viel mit der Stadtgeschichte zu tun hat, auf die Fährte des in seinen Augen „genialen Multitalents“ begeben. Leider gerät die Schau mit dem Titel „Alles fing mit Schubart an!“ am Ende etwas unübersichtlich. Die Vielzahl der kulturellen Errungenschaften der Stadt, für die Schubart den Boden bereitet haben soll, erschlägt vor allem den ortsfremden Betrachter. Weniger wäre in diesem Zusammenhang mehr gewesen.

 

Es muss eine sehr ambivalente Beziehung gewesen sein, die die Geislinger mit dem unkonventionellen Feuerkopf Schubart (1739 – 1791) verband. Gruber fächert die Biografie und die verschiedenen Facetten des jungen Universalgelehrten im ersten Teil der Ausstellung informativ und kurzweilig auf. Dazu präsentiert er eine Fülle von Zitaten aus Schubarts Feder. Der Lehrer, Komponist, Organist, Poet und Journalist nahm kein Blatt vor den Mund und bediente sich einer präzisen und saftigen Sprache, die zu lesen noch immer ein Vergnügen ist.

Schubart über seine Geislinger Schüler: „Roh und wild, wie Stiere“

So muss der Hilfslehrer, den das Schicksal im Jahr 1763 in die Geislinger Provinz katapultiert hatte, sehr gelitten haben unter der ungezogenen Schülerhorde, die ihm „auf die Seele gebunden“ wurde. „Die Schüler sind roh und wild, wie unbändige Stiere“, klagt er. Dennoch schafft es der junge Mann, mit seinem „fantasievollen, kraftstrotzenden und humorvollen Unterricht“, während seines kurzen Gastspiels in Geislingen, vielen dieser ungehobelten Burschen Bildung einzuhauchen, erzählt Gruber. Ein Teil von ihnen schafft sogar den Sprung auf die „oberste Klasse des Ulmischen Gymnasiums“.

Ein gern gesehener Gast ist Schubart offenbar am Stammtisch des Gasthauses Sonne. Doch mit seinem losen Mundwerk macht er sich nicht nur Freunde. Die Geislinger nehmen ihn je nach Perspektive als Luftikus oder Scharlatan wahr. Auch Schubart fremdelt mit der Mentalität der Bevölkerung. Dennoch knüpft er in Geislingen familiäre Bande. Er heiratet kurz nach seiner Ankunft in der Stadt Helene Bühler, die jüngere Schwester der Wirtin der Gaststätte „Weißes Roß“, wo er, so vermutet Gruber, zunächst logiert. Nach der Heirat im Januar 1764 zieht das Paar in die Schlossgasse 3 um. Dieses prächtig renovierte Gebäude hinter dem Rathaus gehört dank des Engagements des örtlichen Kunst- und Geschichtsvereins zu den baulichen Schmuckstücken der Stadt.

Die Schau im Alten Bau läuft noch bis zum 13. Januar

Ein eigenes Kapitel widmet Gruber der Beziehung der Eheleute Schubart. Es sei wohl eine Zweckehe gewesen. Schubart habe sich gesellschaftlich etablieren wollen. Doch die Ehe war nicht glücklich, vor allem nicht für Helene. „Es war die Verbindung des Sturms mit der Stille, der Anarchie mit der Ordnung“, heißt es in der Ausstellung. So schwer sich die Geislinger mit Schubart auch taten: Als er 1787 nach einer zehnjährigen Haft auf dem Asperg – dort hatte ihn der Herzog Carl Eugen einsperren lassen, unter anderem, weil Schubart seine Mätresse Franziska von Hohenheim verspottet hatte – die Stadt besuchte, war er überwältigt von der Herzlichkeit, die ihm entgegengebracht wurde. „Er hatte hier so etwas wie das Erwachen eines kulturellen Bewusstseins initiiert“, erklärt Gruber. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege trat die jüngere Generation Schubarts Erbe an. In der Stadt entfaltete sich ein vielfältiges kulturelles Leben und es entstanden viele Vereine, die in der Schau vorgestellt werden.