Depressionen, Schlafstörungen und Aggressionen – das sind die Dinge, unter denen Schüler nach zwei Jahren Pandemie leiden. Drei Jugendliche aus Leinfelden-Echterdingen berichten von den Problemen an ihrer Schule.

Echterdingen - Man müsse es differenziert betrachten, sagt der Rektor Wolfgang Krause. Die allermeisten Schüler am Philipp-Matthäus-Hahn-Gymnasium (PMHG) kämen mit der schwierigen Situation durch die Coronapandemie zurecht. Allerdings fehle vielen Kindern und Jugendlichen nach langen Phasen des Unterrichts zu Hause der zwischenmenschliche Kontakt. Dieser sei aber für die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen wichtig. Die Folge: „Es entstehen Unsicherheiten.“ So fasst es der Pädagoge zusammen. Das Selbstvertrauen gehe zurück, es entstünden Versagensängste.

 

So sollen Schüler Selbstvertrauen zurückgewinnen

Die Pandemie stelle das Vertrauen grundsätzlich in Frage, meint der Schulleiter. Das übertrage sich auch auf das Vertrauen in sich selbst und in die eigene Leistungsfähigkeit. Dass eine weitere Stelle für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen in Leinfelden-Echterdingen geschaffen werden soll, hält Krause deshalb für einen wichtigen Schritt. „Wir brauchen niederschwellige Angebote“, betont er. Zusätzlich werde es am PMHG deshalb in Zusammenarbeit mit der örtlichen Volkshochschule ein Angebot für ein Coaching der Schüler zum Aufbau des Selbstvertrauens geben.

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Dass sich in den vergangenen zwei Jahren etwas verändert hat, das haben auch die Schülersprecher Deen (15), Paula (15) und Julian (16) wahrgenommen. „Es ist mental eine Belastung, wenn man allein im Zimmer sitzt“, erklärt Paula. Immerhin fand streckenweise in den vergangenen zwei Jahren weder Präsenzunterricht noch Vereinssport oder Musikschulunterricht statt. Es gab für viele junge Menschen kaum noch Gelegenheiten, sich von Angesicht zu Angesicht auszutauschen. „Viele haben sich online getroffen, aber das ist nicht dasselbe“, sagt die Schülerin. Manche Mitschüler hätten sich schließlich zurückgezogen, seien ruhiger geworden.

Unterschiedliche Bedingungen im Fernunterricht

Im Unterricht an der Schule hatten alle die gleichen Bedingungen. Zuhause seien die Gegebenheiten sehr unterschiedlich, sagt Julian. Bei einigen Mitschülern sei ein Elternteil zu Hause gewesen, habe Gesellschaft geleistet und bei den Schulaufgaben unterstützt. Klassenkameraden, deren Eltern beide arbeiteten, seien dagegen den ganzen Tag alleine gewesen, erklärt er. Als dann der Präsenzunterricht wieder stattfand, habe man die Veränderung bemerkt. „Früher wurde noch geredet, als der Lehrer reinkam. Als wir nach dem Online-Unterricht wieder in der Schule waren und der Lehrer reinkam, war es ganz still“, erinnert sich der 16-Jährige.

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Trotz der schwierigen Bedingungen, die die Pandemie verursacht hat, wollen die Schülersprecher die Situation nicht ausschließlich negativ sehen. Manche Mitschüler hätten auch Neues probiert, erklärt Deen. Sie hätten beispielsweise gekocht, andere neue Sportarten getestet. Er selbst habe damit begonnen, Ukulele zu lernen. „Man hatte viel Zeit, besonders in den Sommerferien“, erinnert sich der 15-Jährige.

Was sich die Jugendlichen vor allem wünschen

Für die Zukunft hoffen die Jugendlichen, dass vor allem die Aktivitäten an der Schule außerhalb des Unterrichts wieder stattfinden können. Das Schulfest vor den Sommerferien musste beispielsweise abgesagt werden. Auch Schulausflüge, Austauschprogramme mit den Partnerschulen im Ausland oder die Zeremonie zur Abiturvergabe mussten in ihrer gewohnten Form gestrichen werden. „Das kann man nicht mehr nachholen“, sagt Paula. Dabei solle die Schule doch mehr als ein reiner Lernort sein, findet Julian.

Dass sich manche Schüler wegen den Coronamaßnahmen schwertun, inzwischen gar unter psychischen Problemen leiden, das haben die Schulleiter der Stadtverwaltung im vergangenen Oktober mitgeteilt. Laut Stadtverwaltung gehe es um Schlafstörungen, gesteigertes Aggressionsverhalten bis hin zu leichten Depressionen. Die Schulleitungen hätten um Unterstützung gebeten, wie der Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell vor der Winterpause im Gemeinderat erklärte. Um weitere Schulsozialarbeiterstellen gehe es aber nicht. Vielmehr solle eine niederschwellige psychologische Beratung in Zusammenarbeit mit dem Kreisdiakonieverband angeboten werden.

Ähnliche Anträge hatten bereits verschiedene Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen gestellt. Entsprechend erhielt die Sitzungsvorlage im Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen eine breite Unterstützung. Mehr noch, die zunächst angedachte halbe Stelle wurde während der Sitzung auf eine ganze Stelle aufgestockt.